Die historischen Romane
als Geschenk entgegen und fragten sich bang, was wohl dieses Abkasia sein mochte, in dem man so leicht zu Fall kommen konnte.
Was die schwarzen Steine des Bubuktar waren, erfuhren sie bald. Zu Tausenden lagen sie auf dem Grund des gleichnamigen Flusses, und einige Nomaden, denen sie unterwegs begegnet waren, hatten sie gewarnt: wer diese Steine berühre, werde genauso schwarz wie sie. Ardzrouni meinte jedoch, es müssten sehr kostbare Steine sein, die von den Nomaden auf irgendwelchen fernen Märkten verkauft würden, und sie erzählten dieses Märchen nur, um zu verhindern, dass andere die Steine nahmen. Er sprang auch gleich in den Fluss, um sich welche zu holen, und zeigte den Freunden, wie glattpoliert und vollkommen rundgeschliffen sie waren. Doch während er sprach, wurden sein Gesicht, sein Hals, seine Hände zusehends schwarz wie Ebenholz; er öffnete sein Gewand, und auch seine Brust war rabenschwarz, er entblößte Beine und Füße, und auch sie sahen aus wie verkohlt.
Ardzrouni stürzte sich nackt in den Fluss, wälzte sich im Wasser, schabte sich die Haut mit dem Kies am Grund ... Nichts zu machen, er war schwarz wie die Nacht geworden, und man sah nur das Weiß seiner Augen und das Rot seiner Lippen unter dem ebenfalls schwarzen Bart.
Die anderen konnten sich kaum halten vor Lachen, während Ardzrouni ihre Mütter verfluchte, dann hoben sie an, ihn zu trösten: »Wollten wir nicht, dass man uns für die Magier hält?« sagte Baudolino. »Na bitte, mindestens einer von ihnen war schwarz, und ich schwöre, dass einer der drei, die jetzt in Köln liegen, ein Mohr ist. Also wird unsere Truppe noch ein Stück glaubwürdiger sein.« Solomon ergänzte fürsorglicher, er habe von Steinen gehört, die die Hautfarbe ändern, aber es gebe auch Heilmittel, und sicher werde Ardzrouni bald wieder weiß werden, weißer denn je. »Jawohl, am Sankt-Nimmerleins-Tag«, feixte der Ciula, und sie mussten den unglücklichen Armenier festhalten, denn er wollte ihm ein Ohr abbeißen.
Eines schönen Tages kamen sie in einen lauschigen Hain voll dicht belaubter Bäume mit Früchten aller Art, durch den ein Fluss plätscherte, dessen Wasser weiß wie Milch war. Und in dem Hain taten sich grünende Lichtungen auf, mit Palmen und Weinstöcken voll herrlicher Trauben, die Beeren groß wie Cedrolimonen. Auf einer dieser Lichtungen stand ein Dorf mit schlichten robusten Hütten aus geflochtenem Stroh, aus denen Menschen traten, die völlig nackt waren, von Kopf bis Fuß, und es war nur Zufall, wenn bei einigen Männern der überaus lange und wallende Bart manchmal die Scham bedeckte. Die Frauen fanden nichts dabei, Brüste und Bauch zu zeigen, aber sie machten keinen schamlosen Eindruck, im Gegenteil, sie sahen den Neuankömmlingen freimütig ins Gesicht, ohne jedoch unkeusche Gedanken aufkommen zu lassen.
Sie sprachen Griechisch und empfingen die Gäste sehr höflich. Sie seien Gymnosophisten, sagten sie, was so viel heiße wie Leute, die sich in unschuldiger Nacktheit darin übten, die Weisheit zu kultivieren und die Güte zu praktizieren. Unsere Reisenden wurden eingeladen, sich nach Lust und Laune in ihrem Dorf umzusehen, und am Abend wurden sie mit einem Essen bewirtet, das allein aus natürlichen Produkten der Erde bestand. Baudolino stellte einige Fragen an den ältesten von ihnen, den alle mit besonderer Ehrfurcht behandelten. Er fragte, was sie besäßen, und jener antwortete: »Wir besitzen die Erde, die Bäume, die Sonne, den Mond und die Sterne. Wenn uns hungert, essen wir die Früchte des Waldes, die dem Lauf der Sonne und des Mondes folgend von selber wachsen. Wenn uns dürstet, gehen wir an den Fluss und trinken. Wir haben jeder eine Frau, und dem Mondzyklus folgend befruchtet ein jeder seine Gefährtin, bis sie ihm zwei Kinder geboren hat, von denen wir eines dem Vater und eines der Mutter geben.«
Baudolino wunderte sich, dass er weder einen Tempel noch einen Friedhof gesehen hatte, und der Alte sagte: »Dieser Ort, an dem wir leben, ist auch unser Grab, hier sterben wir, indem wir uns zum Schlaf des Todes hinlegen. Die Erde erzeugt uns, die Erde ernährt uns, unter der Erde tun wir den ewigen Schlaf. Was den Tempel betrifft, so wissen wir wohl, dass sie andernorts welche errichten, um das zu verehren, was sie den Schöpfer aller Dinge nennen. Wir glauben jedoch, dass die Dinge durch charis entstanden sind, als Geschenk ihrer selbst, so wie sie sich auch von selbst erhalten und wie der Schmetterling die
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