Die historischen Romane
noch nicht die richtige Wildnis war, na dann viel Vergnügen für den Rest! Abdul, der immer mehr fieberte, meinte, es sei unmöglich, dass seine Prinzessin an so gottverfluchten Orten lebe, vielleicht hätten sie den falschen Weg genommen. »Aber ich habe bestimmt nicht die Kraft zur Umkehr, Freunde«, sagte er schwach, »und darum glaube ich, dass ich auf meinem Weg ins Glück sterben werde.«
»Sei still, du weißt ja nicht mehr, was du redest«, fuhr ihn der Poet an. »Nächtelang hast du uns mit anhören lassen, wie du die Schönheit deiner unmöglichen Liebe besingst, und jetzt, wo du siehst, dass sie unmöglicher gar nicht sein könnte, müsstest du doch zufrieden und geradezu überglücklich sein!« Baudolino zog ihn beiseite und flüsterte ihm zu, Abdul phantasiere inzwischen und es sei nicht nötig, ihn noch mehr leiden lassen.
Nach einer Zeit, die gar nicht mehr aufhören wollte, gelangten sie nach Salopatana, eine ziemlich elende Stadt, deren Bewohner sie staunend empfingen, wobei sie die Finger bewegten, als ob sie sie zählten. Es war klar, die Leute wunderten sich, dass sie zwölf waren, und alle knieten nieder, während einer loslief, um die anderen zu benachrichtigen. Nach einer Weile kam ihnen eine Art Archimandrit entgegen, der auf Griechisch psalmodierte und ein hölzernes Kreuz vor sich hertrug (von wegen silberne Kreuze, besetzt mit Rubinen, murmelte der Poet), und er sagte zu Baudolino, seit langem erwarte man an diesem Ort die Rückkehr der Heiligen Magierkönige, die tausend und abertausend Jahre lang tausend Abenteuer durchgemacht hätten, nachdem sie das Kind in Bethlehem angebetet hatten. Sodann fragte dieser Archimandrit sie tatsächlich, ob sie ins Land des Priesters Johannes zurückkehrten, aus dem sie zweifellos stammten, um ihn von seiner langen Mühsal zu erlösen und die Macht wieder an sich zu nehmen, die sie einst über diese gesegneten Länder ausgeübt hatten.
Baudolino frohlockte. Er stellte allerlei Fragen über das, was sie dort erwartete, aber dann begriff er, dass auch diese Leute nicht wussten, wo das Reich des Priesters lag, sondern nur felsenfest glaubten, dass es irgendwo im Osten sein musste. Ja, sie wunderten sich, dass er solche Fragen stellte, gerade die Magier müssten doch sichere Kenntnisse über das Reich des Priesters haben, wo sie doch von dort stammten!
»Ihr allerheiligsten Herren«, sagte der gute Archimandrit, »ihr seid gewiss nicht wie jener byzantinische Mönch, der vor einiger Zeit hier durchgekommen ist und nach jenem Reich gefragt hat, um dem Priester ich weiß nicht was für eine Reliquie zurückzubringen, die ihm geraubt worden sei. Dieser Mensch hatte eine verschlagene und treulose Miene, und er war zweifellos ein Häretiker, wie alle Griechen der Länder am Meer, denn er rief ständig die Allerheiligste Jungfrau Mutter Gottes an, und Nestorios, unser Vater und Licht der Wahrheit, hat uns gelehrt, dass Maria nur die Mutter des Menschen Christus war. Ich bitte euch, kann man je ernsthaft an einen Gott in Windeln glauben, an einen Gott im Säuglingsalter, an einen Gott am Kreuz? Nur die Heiden geben ihren Göttern eine Mutter!«
»Verschlagen und treulos ist dieser Mönch gewiss«, unterbrach ihn der Poet, »und ihr müsst wissen: diese Reliquie hat er uns gestohlen.«
»Der Herr strafe ihn. Wir haben ihn weiterziehen lassen, ohne ihm etwas von den Gefahren zu sagen, in die er geraten würde, und so wusste er nichts von Abkasia, möge Gott ihn züchtigen, indem er ihn in jene Finsternis stürzt! Dort wird er sicher auch auf die Mantikore stoßen und auf die schwarzen Steine des Bubuktar.«
»Freunde«, sagte der Poet halblaut, »diese Leute könnten uns viele wertvolle Dinge sagen, aber sie würden sie uns nur sagen, weil wir die Magier sind, und gerade weil wir für sie die Magier sind, halten sie es nicht für nötig, sie uns zu sagen. Wenn ihr mich fragt, wir sollten uns gleich aus dem Staub machen, denn wenn wir noch eine Weile mit ihnen reden, sagen wir womöglich irgendwas Dummes, und sie kapieren, dass wir nicht wissen, was die Magier wissen müssten. Leider können wir ihnen auch keinen Täuferkopf anbieten, denn Magierkönige, die mit Reliquien handeln, kann ich mir hier nicht gut vorstellen. Also sehen wir zu, dass wir verschwinden, sie mögen ja gute Christen sein, aber niemand sagt uns, dass sie milde mit Leuten umspringen, von denen sie sich verarscht fühlen.«
So verabschiedeten sie sich eilends, nahmen viel Reiseproviant
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