Die historischen Romane
ein unheimlich anmutendes Gewimmel. Es war ein nicht enden wollendes Heer von Skorpionen, alle mit aufgerichtetem Stachel, offenbar auf der Suche nach Wasser, und danach kam eine Legion von Schlangen in allen Farben: einige rot, andere schwarz und weiß, wieder andere schimmernd wie Gold. Die ganze Gegend war ein einziges Zischen, und unsere Freunde erfasste ein großes Entsetzen. Sie stellten sich im Kreis, mit den Schwertern nach außen, um das üble Gezücht zu erschlagen, bevor es sich ihrer Abwehrkette nähern konnte. Aber die Schlangen und Skorpione schienen mehr vom Wasser angelockt als von ihnen, und sowie sie getrunken hatten, zogen sie sich der Reihe nach wieder zurück und verschwanden in irgendwelchen Bodenritzen.
Um Mitternacht, als die Bedrängten schon dachten, sie könnten ein bisschen schlafen, erschienen Schlangen mit einem gezackten Kamm auf dem Rücken, und jede von ihnen hatte zwei oder drei Köpfe. Mit ihren Schuppen fegten sie den Boden, und sie hielten den Rachen weit aufgerissen, so dass man drei Zungen darin züngeln sah. Ihren Gestank konnte man eine Meile weit riechen, und man hatte den Eindruck, dass ihre im Mondlicht glimmenden Augen Gift sprühten, wie es ja übrigens bei den Basilisken geschieht ... Unsere Freunde kämpften eine Stunde lang gegen sie, auch weil diese Bestien aggressiver als die anderen waren und es vielleicht auf ihr Fleisch abgesehen hatten. Sie töteten einige, und deren Artgenossen stürzten sich auf die Leichen, verspeisten sie mit Genuss und vergaßen darüber die Menschen. Schon dachten diese, sie hätten es überstanden, da erschienen nach den Schlangen große Krebse, mehr als hundert, mit einer Schuppenhaut wie Krokodile und einem Panzer, an dem ihre Schwerter abprallten. Bis Colandrino eine aus der Verzweiflung geborene Idee hatte: Er näherte sich einem von ihnen und gab ihm einen kräftigen Fußtritt genau unter den Bauch, woraufhin der Krebs auf den Rücken fiel und wild mit den Scheren ruderte. So gelang es unseren Freunden schließlich, die Angreifer zu umzingeln, sie mit Zweigen zu bedecken und diese anzuzünden. Später entdeckten sie, dass die Krebse, hatte man sie erst einmal ihres Panzers beraubt, durchaus essbar waren, und so konnten sie sich zwei Tage lang an einem weichen und faserigen, aber alles in allem recht guten und nahrhaften Fleisch erfreuen.
Ein andermal begegneten sie tatsächlich einem Basilisken, und er war genauso, wie es in vielen Berichten überliefert wird, die zweifelsohne der Wahrheit entsprechen. Er trat aus einem Felsblock, indem er den Stein aufsprengte, wie schon Plinius berichtet. Er hatte den Kopf und die Krallen eines Hahns und anstelle des Kamms einen roten Auswuchs in Form einer Krone, dazu gelbe Glupschaugen wie ein Frosch und den Leib einer Schlange. Er war smaragdgrün mit silbrigen Reflexen, und auf den ersten Blick sah er beinahe schön aus, doch man wusste, dass sein Atem ein Tier oder einen Menschen vergiften konnte, und schon von weitem roch man seinen widerwärtigen Leichengestank.
»Kommt ihm nicht nahe«, rief Solomon, »und seht ihm vor allem nicht in die Augen, denn auch sie sprühen Gift!« Der Basilisk schlängelte sich auf sie zu, und der Gestank wurde noch unerträglicher, bis Baudolino eine Möglichkeit einfiel, wie man ihn töten könnte. »Der Spiegel, der Spiegel«, rief er zu Abdul gewandt. Dieser reichte ihm den metallenen Spiegel, den ihm die Gymnosophisten geschenkt hatten. Baudolino streckte ihn mit der rechten Hand wie einen Schild dem Monster entgegen, während er sich die linke vor die Augen hielt, um seinem tödlichen Blick zu entgehen, und schritt langsam voran, die Schritte nach dem bemessend, was er am Boden sah. Vor der Bestie angelangt, blieb er stehen und streckte den Spiegel noch weiter vor. Angelockt von den Reflexen, hob der Basilisk den Kopf, heftete seine Froschaugen auf die schimmernde Oberfläche und stieß seinen giftigen Atem aus. Doch gleich darauf erzitterte er am ganzen Leibe, klapperte mit den violetten Augenlidern, stieß ein schauerliches Gebrüll aus und fiel tot um. Da wurde allen klar, dass der Spiegel dem Basilisken sowohl die Macht seines Blickes als auch den Hauch seines tödlichen Atems zurückgeworfen hatte, so dass er seinen beiden Wunderwaffen selbst zum Opfer gefallen war.
»Wir sind bereits in einem Land voller Monster«, sagte sehr zufrieden der Poet. »Das Reich kann nicht mehr weit sein.« Baudolino wusste nicht recht, ob er, wenn er »das Reich«
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