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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sagte, noch an das Reich des Priesters dachte oder schon an sein für die Zukunft erhofftes eigenes.
     
    So weiterziehend, heute auf menschenfressende Flusspferde stoßend, morgen auf Fledermäuse, die größer waren als Tauben, gelangten sie zu einem Dorf am Rande der Berge, vor dem sich eine Ebene mit spärlichen Bäumen erstreckte. Auf den ersten Blick schien diese Ebene in einen leichten Nebel gehüllt, aber weiter hinten wurde der Nebel immer dichter, um schrittweise zu einer dunklen, undurchdringlichen Wolke zu werden, die sich am Horizont in einen einzigen tiefschwarzen Streifen verwandelte, der sich scharf von den roten Streifen des Sonnenuntergangs abhob.
    Die Bewohner des Dorfes waren herzlich, aber um ihre Sprache zu erlernen, die ausschließlich aus gutturalen Lauten bestand, brauchte Baudolino mehrere Tage, während deren sie gastlich aufgenommen und mit dem Fleisch von Berghasen bewirtet wurden, die es in jener Gegend reichlich gab. Als eine Verständigung möglich wurde, erklärten ihm die Dörfler, am Fuße der Berge beginne die weite Ebene von Abkasia, mit der es folgende Bewandtnis habe: Sie sei ein einziger riesiger Wald, in dem immer tiefstes Dunkel herrsche, aber nicht bloß wie in der Nacht, wo man immerhin noch das Licht der Sterne habe, sondern wirklich pechschwarze Finsternis, als befinde man sich mit geschlossenen Augen auf dem Grund einer Höhle. Diese lichtlose Provinz werde von den Abkasianern bewohnt, die dort sehr gut leben könnten, so wie die Blinden an Orten, wo sie seit frühester Kindheit aufgewachsen sind. Anscheinend orientierten sie sich mit dem Gehör oder dem Geruchssinn, aber wie sie aussähen, wisse niemand zu sagen, denn niemand habe sich jemals dorthin gewagt.
    Baudolino fragte, ob es noch andere Möglichkeiten gebe, von dieser Stelle aus weiter nach Osten zu ziehen, und die Leute sagten, nun ja, man brauche bloß den Wald von Abkasia zu umgehen, aber das würde, wie alte Erzählungen überlieferten, mehr als zehn Jahre dauern, denn dieser finstere Wald erstrecke sich über hundertzwölftausend salamoc – und es war für unsere Freunde unmöglich herauszufinden, wie lang ein salamoc war, bestimmt aber länger als eine Meile, ein Stadium oder eine Parasange.
    Sie wollten schon aufgeben, als der Porcelli, der immer der Stillste in der Truppe gewesen war, Baudolino daran erinnerte, dass sie doch in der Frascheta gewöhnt waren, im dichtesten Nebel zu gehen, den man fast mit dem Messer zerschneiden musste, was noch schlimmer war, als im tiefsten Dunkel zu gehen, denn in jenem Grau konnte man, als Täuschung der ermüdeten Augen, Gestalten auftauchen sehen, die es auf dieser Welt nicht gab, so dass man auch dort haltmachen musste, wo man noch hätte weitergehen können, denn wenn man der Täuschung erlag, verirrte man sich und stürzte in einen Graben. »Und wie gehst du im Nebel bei uns zu Hause«, sagte er, »wenn nicht nach dem Gefühl, nach dem Instinkt, nach Gehör und Tastsinn, wie es die Fledermäuse tun, die blind wie sonst was sind? Du kannst nicht mal deinem Geruchssinn folgen, denn der Nebel steigt dir in die Nase, und das einzige, was du riechst, ist sein Nebelgeruch! Also«, schloss der Porcelli, »wenn du ans Gehen im Nebel gewöhnt bist, dann ist das Gehen in tiefster Dunkelheit wie ein Gehen am helllichten Tag.«
    Die übrigen Alexandriner stimmten zu, und so war es nun an Baudolino und seinen fünf Jugendfreunden, die Truppe anzuführen, während die anderen sich jeder an eines ihrer Pferde banden und ihnen gottergeben folgten.
    Anfangs ging es noch voran, dass es eine Freude war, denn sie kamen sich tatsächlich vor wie im Nebel bei sich zu Hause, aber nach einigen Stunden wurde es wirklich stockdunkel. Die Anführer spitzten die Ohren, um das Knacken von Zweigen zu hören, und wenn es nicht mehr zu hören war, schlossen sie daraus, dass sie auf eine Lichtung gelangt waren. Die Bewohner des Dorfes am Rand der Ebene hatten ihnen gesagt, dass dort immer eine kräftige Brise von Süden nach Norden wehte, und so hielt Baudolino von Zeit zu Zeit einen feuchten Finger in die Luft, um zu prüfen, woher der Wind kam, und sich dann nach Osten zu wenden.
    Wann es Nacht wurde, merkten sie daran, dass die Luft kühler wurde, und dann hielten sie an, um zu rasten – eine sinnlose Entscheidung, meinte der Poet, denn unter solchen Umständen könne man ebenso gut auch am Tage rasten. Doch Ardzrouni wies darauf hin, dass man, wenn es kühl wurde, keine Geräusche von

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