Die historischen Romane
kling wie Sprache von Fremden. Aber ihr spreche Sprache von Presbyter Johannes und sein Diakon. Ich euch grüße, ich Gavagai, steh zu Diensten.«
Da dieser Gavagai offenbar harmlos, ja freundlich war, stiegen Baudolino und die Seinen ab, setzten sich auf den Boden, luden ihn ein, sich gleichfalls zu setzen, und boten ihm von dem wenigen an, was sie noch hatten. »Nein«, sagte er, »ich euch danke, aber ich viel gegessen heut morgen.« Dann machte er das, was man allen guten Traditionen zufolge von einem Skiapoden erwartet: Er legte sich lang auf den Rücken, hob das Bein so, dass der große Fuß seinem Kopf Schatten spendete, verschränkte die Arme unter dem Kopf und lächelte glücklich, als läge er unter einem Sonnenschirm. »Bisschen Erfrischung gut nach all dem Rennen. Aber sag, wer sinde ihr? Schade, dass ihr nicht zwölf, ihr sonst Heilige Magier, die zurückkomme, sogar Mohr dabei. Schade, dass ihr nur elf.«
»Ja, schade«, sagte Baudolino. »Aber wir sind elf. Elf Magier interessieren dich nicht, oder?«
»Elf Magier interessiere niemand. Jeden Morgen in Kirche wir bete für Rückkehr von zwölf. Wenn bloß zurückkomme elf, wir schlecht gebetet.«
»Die erwarten hier offenbar wirklich die Magier«, flüsterte der Poet zu Baudolino. »Wir müssen eine Möglichkeit finden, sie glauben zu machen, dass der zwölfte hier irgendwo in der Gegend ist.«
»Aber ohne die Magier selbst zu erwähnen«, flüsterte Baudolino zurück. »Wir sind zwölf, und den Rest können die sich selber zusammenreimen. Sonst kriegt der Priester Johannes am Ende womöglich noch raus, wer wir wirklich sind, und wirft uns seinen weißen Löwen, oder wie immer die heißen, zum Fraß vor.«
Dann wandte er sich wieder an Gavagai: »Habe ich dich richtig verstanden, du bist ein Diener des Presbyters? Sind wir also im Reich des Priesters Johannes angekommen?«
»Du warte. Du nicht einfach kann sagen: Ich angekommen in Reich von Presbyter Johannes, nachdem du ein bisschen Weg gegangen. Sonst alle komme. Ihr euch befinde in große Provinz von Diakon Johannes, Sohn von Presbyter, der regier all dies Land. Jeder, der in Reich von Presbyter will, musse hier durch. Alle Besucher, die komme, musse erst warten in Pndapetzim, großer Hauptstadt von Diakon.«
»Wie viele Besucher sind denn schon gekommen?«
»Niemand. Ihr die ersten.«
»Ist wirklich niemand vor uns gekommen, auch kein Mann mit einem schwarzen Bart?« fragte Baudolino.
»Ich niemand gesehen«, sagte Gavagai. »Ihr die ersten.«
»Dann müssten wir hierbleiben und auf Zosimos warten«, knurrte der Poet, »und wer weiß, ob er kommt. Vielleicht ist er noch in Abkasia und irrt durch die Finsternis.«
»Es wäre noch schlimmer, wenn er schon vor uns gekommen wäre und den Gradal diesen Leuten hier überreicht hätte«, warf Kyot ein. »Aber wenn wir den Gradal nicht haben, womit sollen wir uns dann präsentieren?«
»Nur Ruhe, auch die Eile braucht Zeit«, sagte der Boidi weise. »Jetzt schauen wir erstmal, was wir da finden, dann überlegen wir uns was.«
Baudolino erklärte Gavagai, dass sie gern in Pndapetzim bleiben würden, um auf ihren zwölften Genossen zu warten, der ihnen während eines Sandsturms in einer viele Tagereisen entfernten Wüste abhanden gekommen sei. Er fragte ihn, wo der Diakon lebe.
»Dort hinten in sein Palast. Ich euch hinbring. Oder besser, ich vorher sag meine Freunde, dass ihr komme, und wenn ihr ankomme, sie euch festlich empfange. Gäste uns heilig, Gäste sinde Gabe des Herrn.«
»Gibt es noch andere Skiapoden hier im Farn?«
»Ich nicht glaube, aber vorhin ich gesehen ein Blemmy, den ich kenn – schöner Zufall, denn Skiapoden nicht sehr gute Freunde von Blemmys.« Er steckte sich zwei Finger in den Mund und stieß einen langgezogenen Pfiff aus. Nach wenigen Augenblicken gingen die Farnhalme auseinander, und es erschien ein anderes Wesen. Es war sehr verschieden von dem Skiapoden, und tatsächlich hatten unsere Freunde schon bei der Erwähnung eines Blemmyers zu sehen erwartet, was sie nun sahen. Das Wesen war breitschultrig und stark untersetzt, doch mit schmaler Hüfte, es hatte zwei kurze behaarte Beine, aber es hatte keinen Kopf und auch keinen Hals. Auf der Brust, wo wir Menschen die Brustwarzen haben, öffneten sich zwei mandelförmige, überaus lebhafte Augen und unter einer leichten Erhebung mit zwei Nasenlöchern ein kreisrundes, aber sehr dehnbares Loch, das beim Sprechen verschiedene Formen annahm, je nach den Lauten, die es
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