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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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über den Sabbat«, brüllte Baudolino zurück, »wenn der Fluss stillstehen würde, wüsste ich schon, wie ich dich hinüber bekäme, ohne dass du eine Sünde begehen musst. Man müsste dich bloß auf ein Maultier packen, während du schläfst. Das Problem ist, wie du selbst gesagt hast: Wenn der Fluss innehält, erhebt sich eine Feuerwand am Ufer, und wir stehen wieder genauso dumm da ... Also hat es keinen Zweck, hier sechs Tage zu warten. Gehen wir flussaufwärts zur Quelle, vielleicht gibt es einen Übergang irgendwo hinter ihr.«
    »Was, was?« schrien die anderen, die kein Wort verstanden hatten, aber als sie ihn dann losreiten sahen, folgten sie ihm in der Hoffnung, dass er eine gute Idee hatte. Es war jedoch eine miserable, denn sie ritten sechs Tage und sahen zwar, wie sich das Flussbett verengte und der Fluss allmählich zu einem Wildbach und dann zu einem Bächlein wurde, aber zur Quelle gelangten sie erst am fünften Tag, nachdem bereits seit dem dritten eine Kette sehr hoher Berge am Horizont aufgetaucht und immer näher gerückt war, um schließlich fast senkrecht über den Reisenden aufzuragen, so dass sie kaum noch den Himmel sahen, eingezwängt in einen immer enger werdenden Kamin ohne jeden Ausgang, von dem aus man hoch, hoch oben nur ein kaum schimmerndes Wölkchen erblickte, das am höchsten Gipfel jener Höhen nagte.
    Hier, aus einer Spalte zwischen zwei Bergen, fast einer Wunde, sah man den Sambatyon entspringen: Ein Brodeln von Sandstein, ein Gurgeln von Tuff, ein Tröpfeln von Kalkstein, ein Klackern von Keilen und Splittern, ein Kollern von sich verklumpendem Erdreich, ein Scharren und Schieben von Schollen, ein Regen von Ton und Lehm verwandelten sich allmählich in einen gleichmäßigeren Fluss, der seine Reise zu irgendeinem grenzenlosen Sandozean begann.
    Unsere Freunde versuchten einen Tag lang, die Berge zu umgehen und einen Pass oberhalb der Quelle zu finden, aber vergebens. Schlimmer noch, sie wurden von jähen Erdrutschen bedroht, die sich vor die Hufe ihrer Pferde ergossen, sie mussten einen längeren Umweg nehmen, wurden von der Nacht überrascht an einem Ort, wo ab und zu brennende Schwefelbrocken den Hang herabgerollt kamen, weiter vorn wurde die Hitze unerträglich, und sie begriffen, dass sie, selbst wenn sie dort einen Weg durchs Gebirge finden würden, nach dem Ende ihrer Wasservorräte in jener toten Natur verdursten müssten, und so beschlossen sie umzukehren. Allerdings mussten sie dann entdecken, dass sie sich bei ihrem Hin und Her durch die Berge verirrt hatten, und so brauchten sie noch einen weiteren Tag, um ihren Ausgangspunkt wiederzufinden.
    Sie erreichten ihn, als nach Solomons Berechnungen der Sabbat gerade vorbei war, und selbst wenn der Fluss zum Stillstand gekommen sein sollte, hatte er doch nun wieder zu strömen begonnen, und sie mussten weitere sechs Tage warten. Unter Ausrufen, die ihnen sicher nicht gerade das Wohlwollen des Himmels einbrachten, beschlossen sie daraufhin, flussabwärts zu suchen, in der Hoffnung, dass der Sambatyon sich am Ende zu einem Mündungstrichter oder Delta öffnen und in eine eher ruhige Wüste verwandeln würde.
    So ritten sie erneut einige Tage von morgens bis abends, zum Teil in größerem Abstand vom Ufer auf der Suche nach weniger unwegsamem Gelände, und der Himmel musste ihre Flüche vergessen haben, denn sie fanden eine kleine Oase mit etwas Grünzeug und eine Quelle, die zwar nur spärlich sprudelte, aber genügte, um ihnen Erfrischung und Vorrat für einige weitere Tage zu spenden. Dann zogen sie weiter, immer begleitet vom Brüllen des Flusses, unter brennenden Himmeln, an denen hin und wieder Streifen schwarzer Wolken erschienen, dünn und flach wie die Steine am Grund des Bubuktar.
    Bis sie schließlich, nach beinahe fünf Tagen Reise durch die glühende Hitze und Nächten, die kaum Abkühlung brachten, den Eindruck hatten, dass der dumpf tosende Dauerlärm jener Flut sich veränderte. Die Strömung wurde schneller, es bildeten sich Strudel und Schnellen, die Basaltbrocken mit sich rissen, als ob es Strohhalme wären, man hörte ein fernes Donnern ... Dann, immer rascher fließend, begann sich der Sambatyon in eine Vielzahl von Flüsschen zu unterteilen, die sich in Berghänge eingruben wie die Finger der Hand in einen Schlammklumpen; manchmal drang eine Welle in eine Höhle ein und kam dann aus einer Art Felsspalte, die begehbar schien, brüllend herausgeschossen, um sich wütend ins Tal zu stürzen. Und plötzlich,

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