Die historischen Romane
frieren, hüllen sie sich in sie ein wie in einen Mantel. Sind so die Panothier?«
»Ja, wie wir. Auch ich zwei Ohren.«
»Aber nicht bis zu den Knien, Herrgott!«
»Auch du viel größere Ohren als dein Freund hier.«
»Aber nicht wie die Panothier, Himmelnochmal!«
»Jeder Ohren, wie ihm seine Mutter gemacht.«
»Aber warum sagst du dann, dass ihr Skiapoden euch nicht gut mit den Blemmyern versteht?«
»Sie denke schlecht.«
»In welchem Sinne schlecht?«
»Sie Christen auf falschem Weg. Sie phantasiastoi . Sie sage richtig wie wir, dass Sohn nicht gleiche Natur wie Vater, weil Vater schon da vor aller Zeit, während Sohn geschaffen von Vater, nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Wille. Darum Sohn im Grunde nur Adoptivsohn von Gott, nicht? Blemmys nun sage: Ja, Sohn nicht gleiche Natur wie Vater, aber Sohn Logos, und Logos, auch wenn nur Adoptivsohn von Vater, kann nicht werden Fleisch. Also Jesus nie Fleisch geworden, und was Apostel gesehen, war bloß ... wie sage ... phantasma ...«
»Bloße Erscheinung, Trugbild.«
»Genau. Sie sage, nur Phantasma von Gott am Kreuz gestorben, nicht geboren in Bethlehem, nicht geboren von Maria, sondern eines Tages am Fluss Jordan vor Johannes dem Täufer erschienen, und alle gerufen oh! Aber wenn Sohn nicht Fleisch geworden, wie kann er dann sagen, dies Brot mein Leib? Und darum mache Blemmys auch nicht Kommunion mit Brot und burq .«
»Vielleicht weil sie den Wein, oder wie du ihn nennst, durch ein Röhrchen saugen müssten«, sagte der Poet.
»Und die Panothier?« fragte Baudolino.
»Oh, ihnen egal, was Sohn mach, wenn runtersteige auf Erde. Sie nur denke an Heiligen Geist. Sie sage, Christen in Abendland denke, dass Heiliger Geist ausgehe von Vater und Sohn. Sie protestiere und sage, dies ›und Sohn‹ später hinzugefügt und in Credo von Konstantinopolis noch nicht drin gewesen. Für sie Heiliger Geist nur ausgehe von Vater. Sie denke Gegenteil von Pygmäen. Pygmäen sage, Heiliger Geist nur ausgehe von Sohn und nicht von Vater. Panothier hasse vor allem Pygmäen.«
»Freunde«, sagte Baudolino zu seinen Gefährten gewandt. »Es scheint mir klar zu sein, dass die verschiedenen Rassen, die in dieser Provinz leben, überhaupt kein Gewicht auf die Unterschiede in Körperbau, Farbe und Form legen – während wir ja, wenn wir bloß einen Zwerg sehen, ihn schon als eine Laune der Natur betrachten. Statt dessen legen sie, wie es auch viele unserer Gelehrten tun, großes Gewicht auf die Unterschiede in den Ideen über die Natur Christi oder über die Heilige Dreieinigkeit, von der wir in Paris so oft gehört haben. Das ist ihre Art zu denken. Versuchen wir das zu verstehen, sonst werden wir uns immer in endlosen Diskussionen verlieren. Also tun wir so, als ob die Blemmyer wie die Skiapoden wären, und was sie über die Natur Unseres Herrn denken, braucht uns nicht weiter zu kümmern.«
»Nach dem, was ich verstanden habe, teilen die Skiapoden die schreckliche Häresie des Arius«, sagte Boron, der wie immer derjenige unter ihnen war, der die meisten Bücher gelesen hatte.
»Na wenn schon«, meinte der Poet. »Mir scheint das eine Sache für Graeculi zu sein. Für uns im Norden war es immer viel wichtiger zu wissen, wer der wahre Papst und wer der Gegenpapst war – dabei hing alles von einer Laune meines verstorbenen Herrn Rainald ab. Jeder hat seine Fehler. Baudolino hat recht, tun wir einfach so, als ob nichts wäre, und bitten wir den flotten Knaben hier, uns zu seinem Diakon zu führen, der vielleicht kein großer Herr ist, aber immerhin schon mal Johannes heißt.«
Sie baten also Gavagai, sie nach Pndapetzim zu führen, und er machte sich mit gebremsten Sprüngen auf den Weg, damit die Pferde ihm folgen konnten. Nach zwei Stunden kamen sie ans Ende des Farnkrautmeeres und gelangten in eine steinige Zone, die mit Öl- und Obstbäumen bestellt war. Unter den Bäumen saßen, neugierig aufschauend, Wesen mit menschlichen Zügen, die ihnen grüßend zuwinkten, aber nur stammelnde Laute von sich gaben. Es waren, wie Gavagai erklärte, die Zungenlosen, die außerhalb der Stadt lebten, weil sie Messalianer waren, Leute, die glaubten, man könne allein durch ständiges stilles Gebet in den Himmel kommen, ohne die Sakramente zu vollziehen, ohne sich in Werken der Barmherzigkeit oder anderen Arten der Selbstkasteiung zu üben, auch ohne andere Formen des Gottesdienstes. Deswegen gingen sie nie in die Kirchen von Pndapetzim. Sie wurden von allen scheel angesehen, weil
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