Die historischen Romane
von sich gab. Gavagai ging hin, um mit ihm zu tuscheln, wobei er auf die Besucher deutete, und der Blemmyer nickte erkennbar, wenn auch nicht mit dem Kopf, den er ja nicht hatte, sondern indem er die Schultern vorbeugte.
Dann näherte er sich den Besuchern und sagte mehr oder weniger: » Ouiii, ouioioioi, aueua! « Als Zeichen der Freundschaft boten ihm die Reisenden einen Becher Wasser an. Der Blemmyer holte aus einem Beutel, den er bei sich trug, ein Röhrchen, steckte es in das Loch, das er unter der Nase hatte, und begann das Wasser aufzusaugen. Dann bot ihm Baudolino ein großes Stück Käse an. Der Blemmyer führte es sich an den Mund, der plötzlich so groß wie der Käse wurde und diesen verschlang. Der Blemmyer sagte: » Euaoi oea! « Dann legte er sich eine Hand auf die Brust beziehungsweise die Stirn wie jemand, der etwas verspricht, hob beide Hände zum Gruß und verschwand zwischen den Farnhalmen.
»Er vor uns ankomme«, sagte Gavagai. »Blemmy nicht so schnell wie Skiapode, aber immer noch schneller als diese langsamen Tiere, auf denen ihr gesessen. Was sinde das?«
»Pferde«, sagte Baudolino, wobei ihm einfiel, dass es im Reich des Priesters keine gab.
»Wie sinde Pferde?« fragte der Skiapode neugierig.
»Wie die hier«, antwortete der Poet, »genau wie die hier.«
»Ich euch danke. Ihr mächtige Menschen, ihr unterwegs auf Tieren, die genauso sinde wie Pferde.«
»Jetzt hör mal. Vorhin hast du gesagt, dass die Skiapoden keine Freunde der Blemmyer sind. Gehören sie denn nicht zum Reich oder zu dieser Provinz?«
»O doch, sie Diener von Presbyter, genau wie wir und wie Ponkier, Pygmäen, Giganten, Panothier, Ohne-Zungen, Nubier, Eunuchen und Satyrn-die-man-nie-sieht. Alles gute Christen und treue Diener von Diakon und Presbyter.«
»Seid ihr keine Freunde, weil ihr verschieden seid?« fragte der Poet.
»Wie du meinen verschieden?«
»Na, so wie du von uns verschieden bist, und ...«
»Wieso ich verschieden von euch?«
»Na hör mal«, sagte der Poet, »also erstens hast du bloß ein Bein, und wir und der Blemmyer haben zwei!«
»Wenn ihr und Blemmy eins hochheb, ihr auch bloß eins.«
»Aber du hast kein zweites zum Runterlassen!«
»Wieso soll ich Bein runterlasse, das ich nicht habe? Muss du drittes Bein runterlasse, das du nicht habe?«
»Hör zu, Gavagai«, mischte sich der Boidi begütigend ein, »du wirst doch zugeben, dass der Blemmyer keinen Kopf hat.«
»Wieso keinen Kopf? Er Augen, Nase und Mund, er spreche und esse. Wie du das mache, wenn du keinen Kopf?«
»Ja, hast du denn nie bemerkt, dass er keinen Hals hat? Und auf dem Hals nicht dieses runde Ding, das auch du auf dem Hals hast, aber eben er nicht? «
»Was heißen bemerkt?«
»Gesehen, mitgekriegt, du weißt schon, was!«
»Vielleicht du meinen, dass er nicht genauso aussehe wie ich, dass meine Mutter ihn nicht kann verwechseln mit mir. Aber auch du nicht genauso aussehe wie dieser dein Freund hier, weil er Narbe auf Wange und du nicht. Und dein Freund auch verschieden von diesem Mohr da, der schwarz wie einer der Magier, und der wieder iste verschieden von dem andern da mit dem schwarzen Rabbinerbart.«
»Woher weißt du, dass ich einen Rabbinerbart habe?« fragte Solomon hoffnungsvoll, denn er dachte natürlich sofort an die zehn verstreuten Stämme und sah in diesen Worten einen klaren Hinweis darauf, dass sie hier vorbeigekommen waren oder wenigstens irgendwo in der Nähe lebten. »Hast du jemals andere Rabbiner gesehen?«
»Ich nicht, aber da hinten in Pndapetzim alle sage Rabbinerbart.«
Da griff Boron ein: »Lasst es gut sein. Dieser Skiapode kann keinen Unterschied zwischen sich und einem Blemmyer erkennen, sowenig wie wir einen zwischen Porcelli und Baudolino. Denkt doch mal nach, das ist wie bei uns, wenn wir Leuten aus fremden Ländern begegnen. Könnt ihr einen Unterschied zwischen zwei Mohren erkennen?«
»Ja schon«, sagte Baudolino, »aber ein Blemmyer und ein Skiapode sind nicht wie wir und die Mohren, die wir ja nur sehen, wenn wir zu ihnen hinreisen. Die hier leben alle in derselben Provinz, und er unterscheidet zwischen Blemmyer und Blemmyer, wenn er sagt, dass der, den wir eben gesehen haben, sein Freund ist, aber die anderen nicht. Jetzt hör mir mal gut zu, Gavagai: Du hast gesagt, in dieser Provinz leben Panothier. Ich weiß, was Panothier sind, es sind Leute, die fast so aussehen wie wir, nur haben sie zwei Ohren, die so groß sind, dass sie ihnen bis zu den Knien gehen, und wenn sie
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