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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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für uns nur noch Erinnerung sein an etwas, das wir von seinem Leiden am Dasein geheilt haben. Dies wird das Ende des Weges sein, die Befreiung, die Lösung aus allen Fesseln, die Flucht dessen, der nunmehr allein unterwegs zum Einen und Einzigen ist. In dieser Rückkehr zum absolut Einfachen werden wir nichts anderes mehr sehen als die Glorie der Dunkelheit. Entleert von Seele und Verstand, werden wir über das Reich des Geistes hinausgelangt sein, werden uns in Verehrung dort niederlassen, als wären wir eine aufgehende Sonne, mit geschlossenen Augen werden wir in die Sonne des Lichtes blicken, werden zu Feuer werden, zu dunklem Feuer in jenem Dunkel, und durch den Weg des Feuers werden wir unseren Weg vollenden. Und das wird der Augenblick sein, da wir, nachdem wir den Lauf des Flusses zurückverfolgt haben und nicht nur uns selbst, sondern auch den Göttern und Gott bewiesen haben, dass man gegen den Strom zurückrudern kann – das wird der Augenblick sein, da wir die Welt geheilt, das Böse getötet, den Tod haben sterben lassen, der Augenblick, da wir den Knoten gelöst haben, in dem sich die Finger des Demiurgen verfangen hatten. Uns, Baudolino, uns ist es beschieden, Gott zu heilen, uns ist seine Erlösung anvertraut worden: Durch unsere Ekstase werden wir die ganze Schöpfung zurück ins Herz des Einen und Einzigen bringen. Wir werden ihm die Kraft geben, jenen großen Atemzug zu tun, der ihm erlaubt, das Böse, das er ausgehaucht hat, wieder einzusaugen.«
    »Das macht ihr? Hat eine von euch das jemals geschafft?«
    »Wir warten darauf, dass es uns gelingt, wir alle bereiten uns darauf vor, seit Jahrhunderten, damit es einer von uns gelingt. Was wir seit unserer Kindheit gelernt haben, ist: Wir müssen nicht alle zu diesem Wunder gelangen. Es genügt, dass eine von uns, die Auserwählte, eines Tages, sei es auch erst nach weiteren Jahrtausenden, den Moment der höchsten Vollkommenheit erreicht, in dem sie sich eins fühlt mit ihrem fernen Ursprung, und das Wunder ist vollbracht. Dann, wenn wir gezeigt haben werden, dass man von der Vielfalt der leidenden Welt zum Einen und Einzigen zurückkehren kann, dann werden wir Gott den Frieden und das Vertrauen zurückgegeben haben, die Kraft, sich in seinem eigenen Zentrum neu zu erschaffen, und die Energie, den Rhythmus seines Atems wiederaufzunehmen.«
    Ihre Augen funkelten, ihre Wangen hatten sich gerötet, ihre Hände zitterten fast, ihre Stimme klang drängend, und sie schien Baudolino geradezu anzuflehen, ebenfalls an jene Offenbarung zu glauben. Baudolino dachte bei sich, es mochte ja sein, dass der Demiurg viele Fehler gemacht hatte, aber die Existenz dieser einen Kreatur machte die Welt zu einem betörenden und strahlenden Ort aller Vollkommenheiten.
    Er konnte nicht widerstehen, ergriff ihre Hand und berührte sie mit einem hingehauchten Kuss. Sie zuckte zusammen, als hätte sie eine bisher unbekannte Erfahrung gemacht. »Auch du bist von einem Gott bewohnt«, sagte sie zuerst. Dann schlug sie sich die Hände vor das Gesicht und murmelte überrascht: »Ich habe ... ich habe die Apathie verloren ...«
    Sie drehte sich um und lief in den Wald, ohne noch etwas zu sagen und ohne sich umzusehen.
    »Kyrios Niketas, in jenem Augenblick wurde mir klar, dass ich liebte, wie ich noch niemals im Leben geliebt hatte, aber dass ich ein weiteres Mal die einzige Frau liebte, die nicht die meine sein konnte. Die erste war mir durch die Erhabenheit ihres Standes entzogen worden, die zweite durch das Elend des Todes, jetzt konnte die dritte mir nicht gehören, weil sie der Erlösung Gottes geweiht war. Ich ging fort, kehrte in die Stadt zurück und dachte, ich würde vielleicht nie wiederkommen dürfen. Ich fühlte mich fast erleichtert, als mir Praxeas am nächsten Tag sagte, in den Augen der Bewohner von Pndapetzim sei ich zweifellos der angesehenste unter den Magiern, ich genösse das Vertrauen des Diakons, und der Diakon wünsche sich, dass ich das Oberkommando jener Armee übernähme, die der Poet inzwischen so gut ausgebildet habe. Ich konnte mich dieser Aufforderung nicht entziehen, eine Spaltung in der Gruppe der Magier hätte unsere Lage in den Augen aller unhaltbar gemacht, und alle waren inzwischen so hingebungsvoll mit der Vorbereitung des Krieges beschäftigt, das ich einwilligte – auch um die Skiapoden, die Panothier, die Blemmyer und all die anderen braven Leute nicht zu enttäuschen, die mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen waren. Vor allem dachte

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