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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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reinigenden Tat verlangten.
    Der Boidi ballte die Fäuste zum Himmel und floh zum Feldherrnhügel, den er gerade noch rechtzeitig erreichte, bevor der Farnwald in Flammen aufging.
    Boron und Kyot hatten nämlich, als sie in der Stadt von der drohenden Invasion hörten, es für gut befunden, die Ziegen zum Einsatz zu bringen, die von Ardzrouni für seine am hellen Tage unnütze Kriegslist bereitgestellt worden waren. Sie hatten die Zungenlosen veranlasst, Hunderte von Tieren mit brennenden Fackeln an den Hörnern in die Ebene zu treiben. Die Jahreszeit war fortgeschritten, die Halme waren schon ziemlich trocken und fingen sofort Feuer. Das Farnmeer verwandelte sich in ein Flammenmeer. Vielleicht hatten Boron und Kyot gedacht, das Feuer würde sich damit begnügen, eine Barriere zu bilden, oder es würde die feindliche Kavallerie zurücktreiben, doch sie hatten die Windrichtung nicht bedacht. Das Feuer gewann rasch an Stärke, breitete sich aber zur Stadt aus. Das kam natürlich den Hunnen zugute, brauchten sie doch nur zu warten, bis das Farnkraut niedergebrannt und die Asche ausgekühlt war, und sie hatten freie Bahn für ihren finalen Galopp. Doch zuerst einmal hielt es sie für mindestens eine Stunde auf. Die Hunnen wussten freilich, dass sie Zeit hatten. Sie begnügten sich damit, an die Ränder des Feuers zu reiten, ihre Bögen zum Himmel zu heben und so viele Pfeile abzuschießen, dass der Himmel verdunkelt wurde, um sie jenseits der Feuerwand niedergehen zu lassen, ohne zu wissen, ob dort noch andere Feinde warteten.
    Einer der Pfeile kam zischend heruntergesaust und bohrte sich in Ardzrounis Hals. Der Getroffene stürzte mit einem erstickten Schrei zu Boden und spuckte Blut. Als er die Hände hob, um sich den Pfeil herauszureißen, sah er, dass sie sich mit weißen Flecken überzogen. Baudolino und der Poet beugten sich über ihn und raunten ihm zu, dasselbe geschehe gerade mit seinem Gesicht. »Siehst du, Solomon hatte recht«, sagte der Poet, »es gibt ein Heilmittel. Vielleicht sind die Pfeile der Hunnen mit einem Gift getränkt, das für dich ein Gegengift ist und die Wirkung der schwarzen Steine aufhebt.«
    »Was kümmert's mich, ob ich weiß oder schwarz sterbe«, röchelte Ardzrouni und starb mit noch unbestimmter Farbe. Doch weitere Pfeile hagelten nun immer dichter, und sie mussten den Hügel verlassen. Sie flohen zur Stadt, und mit versteinertem Gesicht sagte der Poet: »Es ist vorbei, ich habe ein Reich verspielt. Vom Widerstand der Panothier dürfen wir uns nicht allzu viel erwarten. Wir können nur hoffen, dass uns die Flammen noch etwas Zeit lassen. Holen wir unsere Sachen und verschwinden wir hier. Nach Westen ist der Weg noch frei.«
    Baudolino hatte in diesem Moment nur einen einzigen Gedanken. Die Hunnen würden nach Pndapetzim eindringen und es zerstören, aber ihr wütender, alles niedertretender Sturm würde damit nicht enden, sie würden bis zu dem See vordringen und in den Wald der Hypatien einfallen. Er musste ihnen zuvorkommen. Aber er konnte seine Freunde nicht im Stich lassen, er musste sie wiederfinden, ihre Sachen holen, ein bisschen Proviant einpacken, sich auf eine lange Flucht vorbereiten. »Gavagai, Gavagai!« rief er, und im Nu stand sein treuer Helfer neben ihm. »Lauf zum See, finde Hypatia, ich weiß nicht, wie, aber finde sie. Sag ihr, sie soll sich bereithalten, ich komme sie retten!«
    »Ich nix wisse, wie, aber ich sie finde«, sagte der Skiapode und sauste davon.
    Baudolino und der Poet kamen in die Stadt. Die Nachricht von der verheerenden Niederlage war inzwischen eingetroffen, Frauen aller Rassen liefen mit ihren Kleinen auf dem Arm ziellos herum. Die erschrockenen Panothier stürzten sich im Glauben, sie könnten nun fliegen, ins Leere. Aber sie waren nur dazu ausgebildet, sich im Gleitflug sinken zu lassen, nicht schwebend in der Luft zu verharren, und so waren sie im Handumdrehen unten. Diejenigen, die verzweifelt mit den Ohren zu schlagen versuchten, um sich in der Luft zu halten, stürzten nach kurzer Zeit erschöpft ab und zerschellten an den Felsen. Baudolino und der Poet fanden Colandrino, der verzweifelt über den Misserfolg seiner Ausbildung war, und Solomon und Boron und Kyot, die nach den anderen fragten. »Sie sind tot, Friede ihren Seelen«, sagte der Poet grimmig. »Rasch zu unserer Felsenhöhle«, rief Baudolino, »und dann ab nach Westen!«
    In ihrer Felsenhöhle rafften sie alles zusammen, was sie in die Finger bekamen. Als sie eilig

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