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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Geheimnissen, aus denen sich Gutes wie Böses ergeben kann, der Gelehrte das Recht und die Pflicht hat, sich einer dunklen Sprache zu bedienen, die nur seinesgleichen verständlich ist. Die Wege der Wissenschaft sind verschlungen, und es ist schwierig, die guten von den bösen zu unterscheiden. Und oft sind die Gelehrten unserer Tage nur Zwerge auf den Schultern von Zwergen.«
    Die liebenswürdige Unterhaltung mit meinem klugen Meister hatte den guten Nicolas wohl zu Vertraulichkeiten ermuntert, jedenfalls zwinkerte er ihm zu (wie um zu sagen: wir beide verstehen uns, wir sprechen von denselben Dingen) und sagte mit einem Seitenblick zum Aedificium hinüber: »Dort oben sind die Geheimnisse der Wissenschaft gut geschützt durch allerlei raffinierten Zauber...«
    »Ach ja?« meinte William mit gespielter Gleichgültigkeit. »Du meinst sicher verriegelte Türen, strenge Verbote, Drohungen und dergleichen?«
    »Oh nein, mehr...«
    »Was zum Beispiel?«
    »Nun ja, ich weiß nicht genau, ich beschäftige mich mit Gläsern und nicht mit Büchern, aber in der Abtei erzählt man sich... seltsame Geschichten.«
    »Was für welche?«
    »Seltsame eben. Zum Beispiel von einem Mönch, der sich nachts in die Bibliothek wagte, um ein Buch zu suchen, das Malachias ihm nicht geben wollte, und der dann auf einmal Schlangen und Männer ohne Köpfe und Männer mit zwei Köpfen sah. Fast wäre der Ärmste verrückt geworden in dem Labyrinth ...«
    »Warum sprichst du bei diesen Dingen von Zauberei und nicht von teuflischen Erscheinungen?«
    »Ich bin zwar ein ungebildeter Handwerker, aber so ungebildet bin ich nun auch wieder nicht. Der Teufel (Gott schütze uns!) würde doch einen Mönch nicht mit Schlangen und zweiköpfigen Männern in Versuchung führen. Allenfalls mit lasziven Visionen, wie er es bei den heiligen Vätern in der Wüste getan hat. Und außerdem, wenn es von Übel ist, dass ein Mönch gewisse Bücher anrührt, warum sollte der Teufel dann diesen Mönch daran hindern, Übles zu tun?«
    »Ein gutes Enthymem«, gab William zu.
    »Und schließlich noch etwas: Als ich vor einiger Zeit die Fenster im Hospital reparierte, habe ich ein bisschen in Severins Büchern geblättert, und da war ein Buch der Geheimnisse, ich glaube von Albertus Magnus, an dem mich ein paar seltsame Miniaturen reizten, und da habe ich eine Seite gelesen, auf der geschrieben stand, womit man den Docht einer Öllampe einreiben kann, so dass er Visionen macht, wenn man den Rauch einatmet. Du wirst bemerkt haben (oder vielmehr, du wirst es noch nicht bemerkt haben, weil du noch keine Nacht in unserer Abtei verbracht hast), dass der Oberstock des Aedificiums in der Nacht irgendwie erleuchtet ist, jedenfalls scheint aus den Fenstern an manchen Stellen ein flackerndes Licht. Viele haben sich schon gefragt, was das sein mag, manche haben von Irrlichtern gesprochen, andere von den Seelen der früheren Bibliothekare, die an den Ort ihres einstigen Wirkens zurückkehren. Viele glauben hier so was. Ich glaube eher, dass es Lampen sind, die jemand präpariert hat, so dass sie Visionen machen. Weißt du, wenn du zum Beispiel das Ohrenschmalz eines Hundes nimmst und den Docht damit einreibst, dann meint jeder, der den Rauch einatmet, dass er den Kopf eines Hundes hätte, und wenn er jemanden bei sich hat, sieht er ihn mit einem Hundekopf. Und es gibt eine Salbe, die macht, dass alle, die in die Nähe der Lampe kommen, sich riesengroß wie Elefanten wähnen. Und mit den Augen einer Fledermaus und zwei Fischen, deren Namen ich nicht mehr weiß, und dazu einer Wolfsgeister dergalle kannst du einen Docht machen, dessen Rauch dich die Tiere sehen lässt, deren Fett du genommen hast. Und mit dem Schwanz einer Eidechse kannst du alle Dinge um dich herum wie aus Silber erscheinen lassen, und mit dem Fett einer schwarzen Schlange und einem Stück Leichentuch erscheint dir das Zimmer ganz voller Schlangen. Ich weiß das. Es gibt da jemanden in der Bibliothek, der ist sehr schlau...«
    »Aber könnten das nicht die Geister der verstorbenen Bibliothekare sein? Vielleicht veranstalten sie diesen ganzen Zauber mit Lampen und Dochten?«
    Nicolas erstarrte wie vom Donner gerührt. »Donnerwetter, daran habe ich nicht gedacht. Vielleicht sind sie es. Gott schütze uns! Aber ich muss mich jetzt sputen. Es ist spät geworden, die Vesper hat schon begonnen. Gehabt euch wohl!« Sprach’s und eilte davon in die Kirche.
    Wir setzten unseren Rundgang fort. Rechts lagen Unterkünfte der

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