Die historischen Romane
auch oft schon geschehen, dass die Inhaber dieser Wissenschaft mit dämonischen Magiern verwechselt wurden, mit Leuten, die sich dem Teufel verschrieben hatten und und nun mit ihrem Leben bezahlen mussten für ihren Wunsch, die anderen teilhaben zu lassen an ihrem Wissensschatz. Ich selber musste mich in meiner früheren Tätigkeit bei Prozessen, bei denen es um den Verdacht des Umgangs mit dem Dämon ging, oft sorgsam vor dem Gebrauch dieser Linsen hüten und mir die Akten von Sekretären vorlesen lassen, um nicht in einer Zeit, in der die Präsenz des Teufels so nahe schien, dass alle schon sozusagen den Schwefel rochen, der Komplizenschaft mit dem Angeklagten verdächtigt zu werden. Im Übrigen hat schon der große Roger Bacon zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht alle Geheimnisse der Wissenschaft in alle Hände gelangen dürfen, da einige sie für üble Zwecke missbrauchen könnten. Oft muss der Wissende Bücher als magisch ausgeben, die gar nicht magisch sind, sondern durchaus von guter Wissenschaft, um sie vor indiskreten Augen zu schützen.«
»Dann fürchtest du also, dass die Laien schlechten Gebrauch von diesen Geheimnissen machen könnten?« wollte Nicolas wissen.
»Bei den Laien fürchte ich nur, dass sie sich von ihnen erschrecken lassen und sie mit jenem Teufelswerk verwechseln, von dem unsere Prediger allzu oft sprechen. Stell dir vor, ich habe sehr tüchtige Ärzte gekannt, die hervorragende Medizinen zu mischen wussten, mit denen sie schlimme Krankheiten unverzüglich zu heilen vermochten. Aber den Laien verabreichten sie ihre Salben und Säfte nur unter Rezitation von heiligen Worten und Sprüchen, die wie Gebete klangen. Nicht weil diese Sprüche irgendeine heilende Kraft gehabt hätten, sondern damit die Patienten glaubten, während sie das Zeug schluckten oder sich damit einreiben ließen, dass die Heilung durch die Gebete käme, so dass sie gesund wurden, ohne allzu sehr auf die Medikamente zu achten. Außerdem hat der Körper, wenn die Seele auf rechte Weise zum Vertrauen in die fromme Formel gebracht wird, mehr Aufnahmebereitschaft für die heilende Wirkung der Medikamente. Oft jedoch müssen die Schätze der Wissenschaft nicht so sehr vor den Laien verborgen werden als vielmehr vor den anderen Wissenschaftlern. Heutzutage werden Wundermaschinen gebaut, von denen ich dir eines Tages erzählen werde, Wundermaschinen, sage ich dir, mit denen man effektiv und realiter den Lauf der Natur zu ändern vermag. Doch wehe, wenn sie in die Hände von Leuten fallen, die sie zur Ausweitung ihrer irdischen Macht benutzen oder zur Befriedigung ihrer Besitzgier! In Kathai, so ist mir berichtet worden, soll es einem Weisen gelungen sein, ein Pulver herzustellen, das bei Berührung mit Feuer einen gewaltigen Knall und eine große Flamme hervorbringt und alle Dinge im Umkreis von vielen Klaftern zerstört. Ein treffliches Mittel, wenn es zur Urbarmachung des Bodens benutzt wird, etwa um Flüsse umzuleiten oder um Felsbrocken zu zertrümmern. Was aber, wenn es jemand benutzt, um seinen persönlichen Feinden zu schaden?«
»Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, wenn es sich um Feinde des Gottesvolkes handelt«, meinte Nicolas fromm.
»Ja, vielleicht«, nickte William. »Aber wer ist heute der Feind des Gottesvolkes? Ludwig der Kaiser oder Johannes der Papst?«
»Oh Gott, nein!« rief Nicolas erschrocken aus. »So was Schwieriges möchte ich nicht entscheiden müssen!«
»Siehst du?« sagte William. »Manchmal ist es ganz gut, wenn gewisse Geheimnisse unter okkulten Reden verborgen bleiben. Die Geheimnisse der Natur werden nicht in Ziegen- und Rinderhäuten aufbewahrt. Aristoteles sagt im Buch der verborgenen Dinge, wenn man zu viele Geheimnisse der Natur und der Kunst verrät, zerbricht ein himmlisches Siegel, und viele Übel könnten die Folge sein. Das soll nun gewiss nicht heißen, dass die Geheimnisse niemals aufgedeckt werden dürften, wohl aber, dass es allein den Wissenden und Gelehrten zukommt, über das Wie und Wann zu entscheiden.«
»Und deswegen ist es gut, dass an Orten wie diesem hier«, sagte Nicolas, »nicht alle Bücher für jedermann zugänglich sind.«
»Das ist nun wieder etwas ganz anderes«, widersprach William. »Man kann durch zu große Geschwätzigkeit sündigen und durch zu große Zurückhaltung. Ich wollte nicht sagen, dass die Quellen der Wissenschaft unter Verschluss bleiben müssten. Im Gegenteil, das wäre sogar ein großes Übel. Ich wollte sagen, dass bei
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