Die historischen Romane
aufmerksamer Lektüre der Fama und der Confessio ist zu entnehmen ... «
»Von wem?«
»Wenn etwas zu entnehmen ist, ist es zu entnehmen. Egal von wem. Von der Vernunft, vom gesunden Menschenverstand ... He, was hast du denn? Wir reden von den Rosenkreuzern, das ist 'ne ernsthafte Sache ... «
»Ach ja?«
»Also, wie zu entnehmen ist, wird der Rosencreutz 1378 geboren und stirbt 1484 im schönen Alter von hundertsechs Jahren, und so ist es nicht schwer zu erraten, dass die geheime Brüderschaft nicht wenig zu jener Reformation beigetragen hat, die 1517 ihr hundertjähriges Jubiläum beging. Zumal auch Luther in seinem Wappen eine Rose und ein Kreuz hatte.«
»Wie einfallsreich.«
»Was willst du, sollte Luther vielleicht eine brennende Giraffe oder eine zerfließende Uhr in sein Wappen tun? Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Ich habe kapiert, wessen Sohn ich bin, also sei still und lass mich weiterlesen. Um 1604 finden die Rosenkreuzer, während sie einen Teil ihres geheimen Palastes oder Schlosses restaurieren, einen Stein mit einem großen Nagel drin. Sie ziehen den Nagel raus, ein Teil der Mauer fällt runter, es erscheint eine Tür, und auf der steht in großen Lettern geschrieben: POST CXX ANNOS PATEBO ... «
Obwohl ich die Formel aus dem Brief von Belbo kannte, rief ich unwillkürlich: »Mein Gott!«
»Was ist?«
»Das klingt ja wie ein Dokument der Templer, das ich ... Eine Geschichte, die ich dir nie erzählt habe, von einem gewissen Oberst ... «
»Na und? Die Templer haben halt von den Rosenkreuzern abgeschrieben.«
»Aber die Templer waren vorher da.«
»Na dann haben halt die Rosenkreuzer von den Templern abgeschrieben.«
»Liebling, ohne dich wäre ich verloren.«
»Liebling, dich hat dieser Agliè ganz verdorben. Du erwartest dir eine Offenbarung.«
»Ich? Ich erwarte mir gar nichts.«
»Na Gott sei Dank, hüte dich vor dem Opium der Völker.«
»El pueblo unido jamás será vencido.«
»Mach du dich nur lustig. Lies weiter, lass mich hören, was diese Kretins gesagt haben.«
»Diese Kretins haben alles in Afrika gelernt, hast du das vergessen?«
»In Afrika waren sie damals schon dabei, uns einzupacken und hierherzuverschicken.«
»Dank dem Himmel dafür. Du hättest in Pretoria zur Welt kommen können.« Ich küsste sie und fuhr fort: »Hinter der Tür entdecken sie eine Grabkammer mit sieben Seiten und sieben Ecken, wunderbarerweise erleuchtet von einer künstlichen Sonne. In der Mitte ein runder Altar, geschmückt mit diversen Figuren und Schriften, vom Typus NEQUAQUAM VACUUM ... «
»Ne quà quà? Gezeichnet Donald Duck?«
»Das ist Latein, schon mal davon gehört? Heißt soviel wie: ›Es gibt kein Vakuum.‹«
»Na Gott sei Dank, stell dir vor, wie grässlich sonst.«
»Machst du mir bitte den Ventilator an, animula vagula blandula?«
»Aber es ist doch Winter.«
»Für euch von der falschen Hemisphäre, mein Schatz. Wir haben Juli, also bitte sei so lieb und mach mir den Ventilator an – nicht weil ich der Mann bin, sondern weil er auf deiner Seite ist. Danke ... Also, unter dem Altar finden sie den unversehrten Leichnam ihres Gründers. In der Hand hält er ein Liber T , angefüllt mit unendlicher Weisheit, nur leider darf die Welt sie nicht erfahren – sagt das Manifest –, sonst gulp, wow, brr, sguisssh!«
»Au!«
»Sag ich doch. Am Ende verspricht das Manifest einen ungeheuren Schatz, der noch ganz zu entdecken ist, und wunderbare Enthüllungen über das Verhältnis von Makro- und Mikrokosmos. Glaubt nicht, wir wären billige Alchimisten und würden euch lehren, wie man Gold macht. Das ist was für kleine Gauner, wir wollen mehr und zielen höher, in jeder Hinsicht. Wir verbreiten diese Fama hier in fünf Sprachen, zu schweigen von der Confessio , demnächst in diesem Theater. Wir warten auf Reaktionen und Urteile von Gelehrten und Ignoranten. Schreibt uns, ruft uns an, sagt uns eure Namen, und wir werden sehen, ob ihr würdig seid, an unseren Geheimnissen teilzuhaben, von denen dies hier nur eine blasse Kostprobe war. Sub umbra alarum tuarum Iehova. «
»Was?«
»Unter dem Schatten deiner Flügel, Jehova. Das ist die Schlussformel. Ende der Durchsage. Kurz und gut, es scheint, als wären die Rosenkreuzer ganz wild darauf, ihr Wissen mitzuteilen, und warteten nur auf den richtigen Gesprächspartner. Aber sie verraten kein Wort von dem, was sie wissen.«
»Wie dieser Typ auf dem Foto neulich, mit diesem Inserat in der Illustrierten, die wir im Flugzeug gesehen
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