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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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es auf Anhieb. Na, und in einem Hospital in Venedig, da trifft er auf eine alte analphabetische Dienerin, seine Johanna, er sieht sie an und sagt: klarer Fall, das ist die neue Inkarnation der Sophia, der Ennoia, das ist die Große Mutter des Universums, herniedergestiegen zu uns, um die ganze Welt zu erlösen, die eine weibliche Seele hat. Und so nimmt der Postel die Johanna zu sich, alle erklären ihn für verrückt, aber er lässt sich nicht beirren, er betet sie an, er will sie aus der Gefangenschaft der Engel befreien, und als sie stirbt, bleibt er eine Stunde lang an ihrem Bett sitzen und starrt in die Sonne, und tagelang sitzt er so da, ohne zu essen und zu trinken, bewohnt von Johanna, die nicht mehr da ist, aber es ist, als ob sie noch da wäre, denn sie ist immer da, sie bewohnt die Welt, und ab und zu taucht sie wieder auf, um sich, wie sagt man, zu inkarnieren… Ist das nicht eine Geschichte zum Heulen?«
    »Ich zerfließe in Tränen. Und dir gefällt es so sehr, seine Sophia zu sein?«
    »Aber ich bin doch auch deine, Liebster! Weißt du, dass du, ehe du mich gekannt hast, ganz schreckliche Krawatten hattest und Schuppen hinten auf dem Jackett?«
    Riccardo hielt sie wieder im Nacken. »Darf ich mich an der Konversation beteiligen?«
    »Du sei still und tanz weiter. Du bist das Werkzeug meiner Lust.«
    »Is mir auch recht.«
    Belbo sprach weiter, als ob der andere nicht existierte. »Also dann bist du seine Prostituierte, seine feministische PR-Dame, und er ist dein Simon?«
    »Ich heiße nicht Simon«, sagte Riccardo, schon etwas lallend.
    »Von dir reden wir nicht«, sagte Belbo. Seit ein paar Minuten hatte ich mir Sorgen um ihn gemacht. Er, der gewöhnlich so sehr darauf bedacht war, seine Gefühle für sich zu behalten, machte ihr eine Eifersuchtsszene vor einem Zeugen, ja einem Rivalen. Aber an diesem letzten Satz wurde mir klar, dass er, indem er sich vor dem anderen entblößte – während der wahre Gegner noch ein ganz anderer war –, in der einzigen Weise, die ihm vergönnt war, seinen Besitzanspruch auf Lorenza erneuerte.
    Unterdessen antwortete ihm Lorenza, nachdem sie sich einen weiteren Schluck von jemandem genommen hatte: »Aber doch nur zum Spaß. Ich liebe doch dich.«
    »Bin ja schon froh, wenn du mich nicht hasst. Hör zu, ich möchte jetzt gern nach Hause, ich hab eine Magenverstimmung. Ich bin leider noch Gefangener der niederen Materie. Mir hat Simon nichts versprochen. Kommst du mit?«
    »Ach lass uns doch noch ein bisschen bleiben. Es ist grad so schön. Amüsierst du dich nicht? Und außerdem, ich hab mir die Bilder noch gar nicht richtig angesehen. Hast du gesehn, Riccardo hat auch eins über mich gemacht.«
    »Was würd ich nicht alles gern über dich machen!« sagte Riccardo.
    »Du bist vulgär. Nimm die Pfoten weg, ich rede mit Jacopo. Herrgott, Jacopo, darfst denn bloß du intellektuelle Spielchen mit deinen Freunden treiben und ich nicht? Wer ist es denn, der mich wie eine Prostituierte aus Tyrus behandelt? Du!«
    »Na klar doch. Ich. Ich bin es, der dich alten Herren in die Arme treibt.«
    »Er hat nie versucht, mich in die Arme zu nehmen. Er ist kein Lüstling. Es stört dich wohl, dass er nicht mit mir ins Bett will, sondern mich als eine intellektuelle Partnerin betrachtet.«
    »Animierdame.«
    » Das hättest du jetzt nicht sagen dürfen. Riccardo, bring mich irgendwohin, wo's noch was zu trinken gibt.«
    »Nein, warte«, sagte Belbo. »Sag mir jetzt, ob du ihn ernst nimmst, ich will endlich kapieren, ob du verrückt bist oder nicht. Und hör auf zu trinken. Sag mir verdammtnochmal, ob du ihn ernst nimmst?«
    »Aber Liebster, das ist doch ein Spiel zwischen mir und ihm. Und dann, das Schöne an der Geschichte ist: wenn die Sophia kapiert, wer sie ist, und sich aus der Tyrannei der Engel befreit, dann kann sie sich frei von Sünde bewegen…«
    »Hast du aufgehört zu sündigen?«
    »Ach bitte, überleg's dir noch mal«, sagte Riccardo und küsste sie schamhaft auf die Stirn.
    »Im Gegenteil«, antwortete sie Belbo, ohne den Maler zu beachten. »Alle diese Sachen da sind jetzt keine Sünde mehr, man kann alles machen, was man will, um sich vom Fleisch zu befreien, man ist jenseits von Gut und Böse.«
    Mit einem Stoß schob sie Riccardo weg und rief laut in den Saal: »Ich bin die Sophia, und um mich von den Engeln zu befreien, muss ich alle Sünden prepetieren… prerpuetieren… per-pe-trieren, auch die allerschönsten!«
    Sie ging leicht schwankend in eine Ecke, wo

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