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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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murmelte nur, jeder habe eben das Donnafugata, das er sich leisten könne, aber er war sichtlich bewegt. Er komme dann und wann her, sagte er, nur leider sei es recht selten.
    »Aber man kann hier sehr gut arbeiten, im Sommer ist es frisch, und im Winter schützen die dicken Mauern vor Kälte, und es gibt überall Öfen. Natürlich, als ich klein war, damals im Krieg, als wir evakuiert waren, da wohnten wir nur in den zwei Zimmern dort am Ende des großen Flurs. Jetzt hab ich den herrschaftlichen Flügel in Besitz genommen. Ich arbeite hier im Arbeitszimmer von Onkel Carlo.« Er zeigte uns einen schönen alten Sekretär, so einen mit wenig Platz zum Ablegen von Papieren, aber mit vielen Schubladen und Geheimfächern. »Hier oben könnte ich Abulafia nicht gut aufstellen«, sagte er. »Aber die wenigen Male, wenn ich hier raufkomme, schreibe ich gern mit der Hand, wie früher.« Er deutete auf einen majestätischen Wandschrank. »Da drinnen, merkt euch das, für wenn ich tot bin, da drinnen ist meine ganze literarische Produktion aus der Jugendzeit, die Gedichte, die ich mit sechzehn geschrieben habe, die Skizzen zu einer Familiensaga in sechs Bänden, die ich mit achtzehn verfasste… naja und so weiter…«
    »Herzeigen, herzeigen!« rief Lorenza, klatschte in die Hände und lief katzengleich zu dem Schrank.
    »Halt«, sagte Belbo. »Da gibt's nichts zu sehen. Nicht mal ich selber schaue da noch rein. Und wenn ich tot bin, werde ich kommen und alles verbrennen.«
    »Dies hier ist sicher ein schöner Ort für Gespenster, hoffe ich«, sagte Lorenza.
    »Jetzt schon. Zu den Zeiten von Onkel Carlo nicht, da war's hier sehr heiter. Es war idyllisch, georgisch im Sinne Vergils. Heute komme ich extra deswegen her, wegen dieser bukolischen Stimmung. Es ist schön, am Abend zu arbeiten, wenn drunten im Tal die Hunde bellen.«
    Er zeigte uns die Zimmer, wo wir schlafen sollten – ich, Diotallevi und Lorenza. Lorenza sah sich in ihrem Zimmer um, befühlte das alte Bett, auf dem eine große weiße Decke lag, beschnupperte das Laken und sagte, sie komme sich vor wie bei Großmuttern, weil es so nach Lavendel rieche. Belbo widersprach, das sei nur die Feuchtigkeit, die so rieche, Lorenza meinte, das mache nichts, und dann, an die Wand gelehnt, die Hüften und den Unterleib leicht vorgestreckt, als müsste sie den Flipper besiegen, fragte sie: »Aber schlafe ich hier allein?«
    Belbo schaute in eine andere Richtung, aber da standen wir, er schaute wieder in eine andere Richtung, dann wandte er sich zur Tür und sagte: »Darüber sprechen wir noch. Auf jeden Fall hast du hier ein Refugium ganz für dich allein.« Diotallevi und ich gingen hinaus, doch wir hörten, wie Lorenza ihn fragte, ob er sich wegen ihr schäme. Er antwortete, wenn er ihr das Zimmer nicht gegeben hätte, hätte sie ihn gefragt, wo er wohl glaube, dass sie schlafen solle. »Ich habe den ersten Schritt getan, so hast du keine Wahl«, sagte er. »Schlaufuchs!« antwortete sie. »Dann schlafe ich eben in meinem Zimmerchen.« – »Schlaf, wo du willst«, sagte er ärgerlich, »aber die andern sind hier, um zu arbeiten, gehen wir auf die Terrasse.«
     
    Und so arbeiteten wir auf einer großen Terrasse im Schutz einer Pergola, bei kalten Säften und viel Kaffee. Alkohol war bis zum Abend verboten.
    Von der Terrasse aus sah man den Bricco und darunter, am Fuß des Hügels, einen großen schmucklosen Bau mit einem Hof und einem Fußballfeld. Das Ganze belebt mit kleinen bunten Gestalten, Kindern, wie mir schien. Belbo kam ein erstes Mal darauf zu sprechen: »Das ist das Oratorium der Salesianer. Da hat mir Don Tico spielen beigebracht. In der Blaskapelle.«
    Mir fiel die Trompete ein, die Belbo nicht bekommen hatte, damals nach seinem Traum. Ich fragte: »Trompete oder Klarinette?«
    Er hatte einen Anflug von Panik: »Woher wissen Sie… Ach ja, stimmt, ich hatte Ihnen von dem Traum mit der Trompete erzählt. Nein, Don Tico hat mir Trompetespielen beigebracht, aber in der Kapelle spielte ich das Baryton.«
    »Was ist ein Baryton?«
    »Kindergeschichten. Jetzt arbeiten wir.«
     
    Doch während wir arbeiteten, warf er immer wieder kurze Blicke zum Oratorium hinüber. Ich hatte den Eindruck, dass er extra, um hinüberschauen zu können, ab und zu die Diskussion unterbrach und von anderen Dingen erzählte: »Hier hat es eine der wildesten Schießereien am Ende des Krieges gegeben. In *** herrschte damals so etwas wie ein Abkommen zwischen Partisanen und Faschisten. Im

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