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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Belbo.
    »Natürlich. Keine von diesen Sekten hat irgendwelche Dokumente hinterlassen. Was wir über sie wissen, stammt alles nur aus dem Klatsch und Tratsch ihrer Feinde. Aber egal. Ich wollte Ihnen nur deutlich machen, was für ein Sektengewusel der östliche Mittelmeerraum damals war. Und woher die Paulizianer kamen. Die Paulizianer waren die Anhänger eines gewissen Paulus, eine im siebten Jahrhundert gegründete Sekte, mit der sich bald darauf aus Albanien vertriebene Ikonoklasten vereinten. Vom achten Jahrhundert an wachsen diese Paulizianer sehr rasch, werden von einer Sekte zu einer Gemeinde, von einer Gemeinde zu einer Kampftruppe, von einer Kampftruppe zu einer politischen Macht, und die Kaiser von Byzanz fangen an, sich Sorgen zu machen und ihre Soldaten gegen sie loszuschicken. Sie verbreiten sich bis an die Grenzen der arabischen Welt, erreichen den Euphrat und überfluten das byzantinische Reich bis zum Schwarzen Meer. Sie gründen Kolonien, wo immer sie hinkommen, und wir finden sie noch im siebzehnten Jahrhundert, als sie von den Jesuiten bekehrt werden, und es gibt sogar heute noch ein paar Gemeinden auf dem Balkan oder irgendwo da unten. Woran glauben nun diese Paulizianer? An Gott, den einen und dreifaltigen, nur dass der Demiurg sich in den Kopf gesetzt hat, die Welt zu erschaffen, mit den Ergebnissen, die wir vor Augen haben. Sie verwerfen das Alte Testament, verweigern die Sakramente, verachten das Kreuz und verehren auch nicht die Heilige Jungfrau, denn Christus, sagen sie, hat sich direkt im Himmel inkarniert und ist durch Maria hindurchgegangen wie durch eine Röhre. Die Bogomilen, die sich zum Teil an den Paulizianern inspirieren, werden später sagen, dass Christus bei Maria durchs eine Ohr rein- und durchs andere rausgegangen sei, ohne dass sie es überhaupt gemerkt hätte. Manche beschuldigen sie auch, die Sonne und den Teufel anzubeten und das Blut kleiner Kinder mit dem Brot und dem Wein des Abendmahls zu vermischen.«
    »Wie alle.«
    »Es waren Zeiten, in denen der Gang zur Messe für einen Häretiker eine Qual gewesen sein muss. Da hätte er auch gleich Moslem werden können. Aber die Leute waren halt so. Und ich erzähle Ihnen das, weil später, als die dualistischen Häretiker sich in Italien und der Provence verbreiteten, da hat man sie, um zu sagen, dass sie genau solche Leute wie die Paulizianer wären, Poplicani, Publicani oder Populicani genannt, und gallice etiam d icuntur ab aliquis Popelicant. «
    »Da haben wir sie.«
    »Genau. Die Paulizianer fahren auch im neunten Jahrhundert fort, die Kaiser von Byzanz in Rage zu bringen, bis Kaiser Basilios I. schwört, wenn er ihren Chef zu fassen kriege, einen Mann namens Chrysocheir, der die Kirche des Sankt Johannes Theologos in Ephesus gestürmt und die Pferde aus den Weihwasserbecken getränkt hatte ... «
    »Immer dasselbe Laster«, sagte Belbo.
    » ... dann werde er ihm persönlich drei Pfeile in den Kopf rammen. Er schickt seine Soldaten gegen ihn los, die fangen ihn, schneiden ihm den Kopf ab und schicken ihn dem Kaiser, der legt ihn auf einen Tisch, auf ein trumeau , einen Säulenstumpf aus Porphyr, und rammt ihm, zack zack zack, drei Pfeile rein, ich vermute, einen in jedes Auge und den dritten in den Mund.«
    »Feine Leute«, sagte Diotallevi.
    »Die machten das nicht aus Bosheit«, sagte Belbo. »Das waren Glaubensfragen, und Glaube ist Wesenheit erhoffter Dinge, sustanza di cose sperate . Reden Sie weiter, Casaubon, unser Diotallevi kapiert diese theologischen Feinheiten nicht, er ist ein lausiger Gottesmörder.«
    »Nun, um's kurz zu machen: Die Kreuzfahrer treffen auf die Paulizianer. Sie begegnen ihnen in der Nähe von Antiochia während des ersten Kreuzzugs, als jene auf seiten der Araber kämpfen, und sie begegnen ihnen erneut bei der Belagerung von Konstantinopel, als die Paulizianergemeinde von Philippopel versucht, die Stadt dem bulgarischen Zaren Joannitsa zu übergeben, um die Franzosen zu ärgern, so nachzulesen bei Villehardouin. Da haben Sie das Verbindungsglied zu den Templern, und damit ist unser Rätsel gelöst. Nach der Legende waren die Templer inspiriert von den Katharern, tatsächlich hatten die Templer jedoch die Katharer inspiriert. Sie waren den Paulizianern während der Kreuzzüge begegnet und hatten mysteriöse Beziehungen mit ihnen aufgenommen, ähnlich wie mit den muslimischen Mystikern und Häretikern. Im übrigen braucht man nur die Fährte unserer Ordonation zu verfolgen. Sie führt

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