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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Christian Rosencreutz. Sie waren verschlüsselte Botschaften, die man nur lesen konnte, wenn man ein Raster über sie legte, und ein Raster lässt bestimmte Felder frei und bedeckt andere. Wie die chiffrierte Botschaft aus Provins, in der nur die Anfangsbuchstaben zählten. Ich hatte kein Raster, aber ich brauchte nur eins vorauszusetzen, und um es vorauszusetzen, musste ich mit Argwohn lesen.
     
    Dass die Manifeste von dem Plan aus Provins sprachen, stand außer Zweifel. In der Grabkammer des C. R. (Allegorie auf die Grange-aux-Dîmes, die Nacht des 23. Juni 1344!) hatte man einen Schatz verborgen, auf dass die Nachgeborenen ihn entdeckten, einen Schatz, »für 120 Jahre den Augen der Welt entzogen«. Dass dieser Schatz nicht pekuniärer Art war, lag ebenso klar auf der Hand. Nicht nur polemisierte man heftig gegen die primitive Goldgier der Alchimisten, man sagte auch offen, dass es bei dem, was verheißen war, um einen großen historischen Wandel gehe. Und für den Fall, dass jemand immer noch nicht verstanden hatte, wiederholte das zweite Manifest, man dürfe ein Angebot nicht übersehen, das die miranda sextae aetatis betreffe (die Wunder des sechsten und letzten Treffens!), und betonte mehrmals: »Wenn es Gott nun gefallen hätte, das sechste Candelabrum uns allein anzuzünden? ... Wäre es nicht ein köstlich Ding, wenn du alles in einem einzigen Buche lesen und beim Lesen alles verstehen und behalten könntest, was jemals geschehen ist ... Wie lieblich wäre es, wenn du so singen könntest, dass du durch den Gesang (der laut gelesenen Botschaft!) anstatt der Steinfelsen (lapis exillis!) eitel Perlen und Edelgestein an dich brächtest ... « Und wiederum war von Arkana und Heimlichkeiten die Rede, von einer Regierung, die in Europa installiert werden würde, und von einem »großen Werk«, das es zu verrichten gelte ...
    In der Fama hieß es, dass C. R. nach Spanien gegangen sei (oder nach Portugal?), um den Gelehrten dort unten zu zeigen, »woraus die wahren indicia der folgenden Jahrhunderte zu entnehmen« seien, doch vergebens. Wieso vergebens? Wieso machte eine deutsche Templergruppe zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts ein bisher eifersüchtig gehütetes Geheimnis publik, als gälte es, an die Öffentlichkeit zu treten, um auf eine Blockierung des Übermittlungsprozesses zu reagieren?
    Niemand konnte leugnen, dass die Manifeste versuchten, die Etappen des Planes zu rekonstruieren, so wie Diotallevi ihn resümiert hatte. Der erste Bruder, auf dessen Tod angespielt wurde, oder auf die Tatsache, dass er an eine Grenze gelangt war, die er »nicht überschreiten« konnte, war Bruder I. O., der in England starb. Also war jemand erfolgreich zum ersten Treffen gekommen. Und es wurde ein zweiter und dritter »Reigen« von Brüdern erwähnt, also eine zweite und dritte Generation oder Nachfolgelinie. Und bis dahin hätte so weit alles nach Plan gelaufen sein müssen: Die zweite Linie, die englische, trifft die dritte, die französische, im Jahre 1584, und Leute, die zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts schreiben, können nur über das sprechen, was den drei ersten Gruppen widerfahren ist. In der Chymischen Hochzeit , die Andreae in seinen Jugendjahren geschrieben hat, also vor den Manifesten (auch wenn sie erst 1616 erscheint), werden drei majestätische Tempel erwähnt: zweifellos die drei Orte, die schon bekannt sein mussten.
    Mir schien jedoch, dass die beiden Manifeste zwar in denselben Begriffen davon sprachen, aber so, als hätte sich in der Zwischenzeit etwas Beunruhigendes ereignet.
    Wieso zum Beispiel betonten sie dauernd mit solchem Nachdruck, dass die Zeit gekommen und der Moment erreicht sei, obwohl der Feind all seine Listen eingesetzt habe, um zu verhindern, dass die Gelegenheit wahrgenommen werde? Welche Gelegenheit? Es hieß, das Endziel von C. R. sei Jerusalem gewesen, aber er habe es nicht erreichen können. Wieso nicht? Die Araber wurden gelobt, weil sie Erkenntnisse und Erfahrungen untereinander austauschten, während die Gelehrten in Deutschland einander nicht zu helfen wüssten. Und es wurde auf eine größere Gruppe angespielt, die »die Weide allein abfressen« wolle. Hier war nicht mehr nur die Rede von jemandem, der den Plan zu verzerren suchte, um eigene Interessen zu verfolgen, hier ging es um eine effektive Verzerrung.
    In der Fama hieß es, zu Anfang habe jemand eine magische Schrift ersonnen (natürlich, die Botschaft von Provins), doch Gottes Uhr schlage alle Minuten, während

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