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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zwangsläufig über den Balkan.«
    »Wieso?«
    »Na, weil das sechste Treffen ganz klar in Jerusalem sein muss. Die Botschaft sagt, man solle ›zum Stein‹ gehen. Und wo bitte gibt es einen Stein, einen, der heute von den Muslimen verehrt wird, und wenn wir ihn sehen wollen, müssen wir unsere Schuhe ausziehen? Nun, genau im Zentrum der Omar-Moschee zu Jerusalem, dort, wo früher der Tempel der Templer stand. Ich weiß nicht, wer in Jerusalem warten sollte, vielleicht ein Grüppchen von überlebenden und verkleideten Templern, oder Kabbalisten, die Verbindung nach Portugal hatten, aber sicher ist, dass wenn man von Deutschland nach Jerusalem will, dann führt der logischste Weg über den Balkan, und dort wartet die fünfte Gruppe, die der Paulizianer. Sehen Sie nun, wie klar und ökonomisch der Plan auf einmal wird?«
    »Zugegeben, Sie überzeugen mich«, sagte Belbo. »Aber wo auf dem Balkan warteten diese Popelicant?«
    »Meines Erachtens waren die natürlichen Nachfolger der Paulizianer die bulgarischen Bogomilen, aber die Templer von Provins konnten noch nicht wissen, dass Bulgarien wenige Jahre später von den Türken überfallen wurde und fünfhundert Jahre unter türkischer Herrschaft blieb.«
    »Also können wir annehmen, dass der Große Plan beim Übergang von den Deutschen zu den Bulgaren steckengeblieben ist. Wann mag das gewesen sein?«
    »1824«, sagte Diotallevi.
    »Wieso?« fragte ich.
    Diotallevi nahm ein Papier und schrieb:
     
PORTUGAL
    1344
ENGLAND
    1464
FRANKREICH
    1584
DEUTSCHLAND
    1704
BULGARIEN
    1824
JERUSALEM
    1944
     
    »1344 begeben sich die ersten Großmeister jeder Gruppe an die sechs vorgeschriebenen Orte. Im Verlauf von hundertzwanzig Jahren folgen einander in jeder Gruppe sechs Großmeister, und 1464 trifft sich der sechste Großmeister von Tomar mit dem sechsten Großmeister der englischen Gruppe. 1584 trifft sich der zwölfte englische Großmeister mit dem zwölften französischen Großmeister. Die Kette geht weiter so in diesem Rhythmus, und wenn das Treffen mit den Paulizianern scheitert, dann scheitert es 1824.«
    »Nehmen wir an, es scheitert«, sagte ich. »Aber dann verstehe ich nicht, warum so kluge und weitdenkende Männer, wenn sie bereits vier Sechstel der Botschaft in Händen hielten, sie nicht rekonstruieren konnten, indem sie den Rest ergänzten. Oder warum sie, wenn das Treffen mit den Bulgaren geplatzt war, nicht Kontakt zur nächstfolgenden Gruppe aufnahmen.«
    »Casaubon«, sagte Belbo, »glauben Sie etwa, die Planer von Provins wären Stümper gewesen? Wenn sie wollten, dass die Enthüllung sechs Jahrhunderte lang verborgen blieb, werden sie ihre Vorkehrungen getroffen haben. Jeder Großmeister einer jeden Gruppe weiß nur, wo er den Großmeister der folgenden Gruppe finden kann, aber nicht, wo die anderen zu finden sind, und keiner der anderen weiß, wo er die Meister der vorigen Gruppe finden kann. Es genügt, dass die Deutschen die Bulgaren verloren haben, und sie werden nie erfahren, wo sie die nächste Gruppe finden können, also die Jerusalemer, während die Jerusalemer nicht wissen, wo sie irgendeine der vorigen Gruppen finden können. Und was die Rekonstruktion einer Botschaft aus unvollständigen Fragmenten angeht, so hängt sie ganz davon ab, wie diese Fragmente aufgeteilt worden sind. Sicher nicht in einer logischen Abfolge. Es braucht nur ein einziges Teilstück zu fehlen, und die ganze Botschaft ist unverständlich. Und wer das fehlende Teilstück hat, weiß nichts damit anzufangen.«
    »Denkt nur mal«, sagte Diotallevi, »wenn jenes Treffen nicht geklappt hat, dann ist Europa heute der Schauplatz eines geheimen Balletts zwischen Gruppen, die einander suchen und nicht finden können, und jede weiß, dass ein Nichts genügen würde, um Herr der Welt zu werden. Wie hieß doch gleich dieser Einbalsamierer, von dem Sie gesprochen haben, Casaubon? Wer weiß, vielleicht gibt es das Komplott ja wirklich, und die ganze Geschichte ist nichts anderes als das Resultat, dieser Schlacht um die Rekonstruktion einer verlorenen Botschaft. Wir sehen sie nicht, aber sie sind, als Unsichtbare, rings um uns zugange.«
    Belbo und mir kam offenkundig dieselbe Idee, und wir begannen gleichzeitig zu reden: Uns fehle doch gar nicht mehr viel, um die richtige Verbindung herzustellen. Immerhin hätten wir erfahren, dass mindestens zwei Elemente der Botschaft von Provins, nämlich der Hinweis auf die sechsunddreißig Unsichtbaren, geteilt in sechs Gruppen, und die Frist der

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