Die historischen Romane
Punkt ihres Laufes erreicht hat. Johannes ist erst später hinzugefügt worden, um den Brauch zu christianisieren ... «
»Wird dabei irgendein Brot gegessen, in Schottland?«
»Lass mal sehen ... Scheint nicht so ... Ah, doch, hier ist was, aber das Brot wird nicht in der Johannisnacht gegessen, sondern in der Nacht auf den Ersten Mai, der Nacht der Feuer von Beltane, einem Fest druidischer Herkunft, besonders in den schottischen Highlands ... «
»Na bitte! Und warum wird das Brot gegessen?«
»Man knetet einen Teig aus Mehl und Hafer, formt ihn zu einem Laib und backt ihn in der Glut ... Dann folgt ein Ritus, der an die antiken Menschenopfer erinnert ... Es sind Fladen, die bannock genannt werden ... «
»Wie? Buchstabier das mal.« Sie buchstabierte es, ich dankte ihr und sagte, sie sei meine Beatrice, meine Fee Morgana und andere liebevolle Sachen. Dann rief ich mir meine Dissertation in Erinnerung: Der geheime Kern des Ordens flüchtete sich, so die Legende, nach Schottland zu König Robert the Bruce, dem die Templer dann halfen, die Schlacht von Bannock Burn zu gewinnen. Zur Belohnung machte der König sie zum Kern des neuen Ordens der Ritter des heiligen Andreas von Schottland.
Ich holte mir ein großes englisches Lexikon aus dem Regal und suchte: bannok im Altenglischen (altsächsisch bannuc , von gälisch bannach ) ist eine Art Fladenbrot, in der Pfanne oder auf einem Rost gebacken, aus Gerste oder Hafer oder anderem Getreide. Burn ist ein Wildbach. Man brauchte das nur so zu übersetzen, wie es die französischen Templer übersetzt haben mussten, wenn sie Nachrichten aus Schottland an ihre Brüder in Provins schickten, und heraus kam etwas wie der Bach des Fladens oder des Brotes. »Die das Brot aßen« sind also die, die am Bach des Brotes gesiegt haben, also der schottische Kern des Ordens, der sich zu jener Zeit vielleicht schon über die ganzen Britischen Inseln ausgedehnt hatte. Logisch: von Portugal nach England, das war der kürzeste Weg, viel kürzer jedenfalls als Ardentis Reise vom Nordpol nach Palästina.
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Deine Kleider seien weiß ... Wenn es Nacht wird,
zünde viele Lichter an, bis alles hell erglänzt ...
Dann beginne, einige oder viele Lettern zu
kombinieren, vertausche sie und verschiebe sie, bis dein
Herz warm wird. Achte auf ihre Bewegung und
auf das, was sich bei dir aus ihr ergibt. Und wenn
du spürst, daß dein Herz warm geworden ist, un
du siehst, daß du durch die Kombination der
Lettern neue Dinge erfassen kannst, die du nicht von
allein oder mit Hilfe der Tradition hättest erkennen
können, wenn du bereit bist, den Influxus der
göttlichen Kraft in dich aufzunehmen, dann richte
die ganze Tiefe deines Denkens darauf, dir den
Namen Gottes und Seine höchsten Engel in
deinem Herzen so vorzustellen, als wären sie
Menschen, die um dich herumstünden oder säßen.
Abraham Abulafia, Sefer Chaje 'Olam ha-Ba
»Macht Sinn«, sagte Belbo. »Und was wäre dann das Refugium?«
»Nun, die sechs Gruppen sollen sich an sechs Orte begeben, aber nur einer davon wird Refugium genannt. Eigenartig. Das heißt, dass die Templer an den fünf anderen Orten, wie in Portugal oder in England, ungestört leben konnten, wenn auch unter anderem Namen, während sie sich an diesem einen verbergen mussten. Ich würde sagen, das Refugium ist der Ort, wohin sich die Pariser Templer geflüchtet haben, als sie untertauchen mussten. Und da es mir auch ökonomisch scheint, dass der Weg von England nach Frankreich geht, warum sollen wir also nicht annehmen, dass die Templer sich ein Refugium direkt in Paris geschaffen hatten, an einem geheimen und sicheren Ort? Sie waren gute Politiker und stellten sich vor, dass die Lage in zweihundert Jahren anders sein würde, entspannter, so dass sie dann offen auftreten könnten, oder fast.«
»Einverstanden, also sagen wir Paris. Und was machen wir mit dem vierten Ort?«
»Der Oberst hatte an Chartres gedacht, aber wenn wir Paris an die dritte Stelle gesetzt haben, können wir Chartres nicht an die vierte setzen, denn der Plan soll ja offenkundig alle Zentren Europas betreffen. Also lassen wir jetzt mal die mystische Fährte beiseite, um eine politische zu entwerfen. Die Verlagerung scheint einer Wellenlinie zu folgen, von Portugal rauf nach England und wieder runter nach Frankreich, demnach müssten wir jetzt wieder rauf und kämen dann in den Norden von Deutschland. Na, und jenseits des Flusses oder des Wassers, also jenseits des
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