Die historischen Romane
hundertzwanzig Jahre, auch in der Debatte über die Rosenkreuzer auftauchten!
»Und die waren schließlich Deutsche«, schloss ich. »Ich werde sofort die Rosenkreuzer-Manifeste nachlesen.«
»Aber Sie sagten doch, die wären falsch«, sagte Belbo.
»Na und? Auch wir machen hier eine Fälschung.«
»Stimmt«, sagte er. »Das hatte ich ganz vergessen.«
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Elles deviennent le Diable: débiles, timorées,
vaillantes à des heures exceptionelles, sanglantes sans
cesse, lacrymantes, caressantes, avec des bras qui
ignorent les lois ... Fi! Fi! Elles ne valent rien, elles
sont faites d'un côté, d'un os courbe, d'une
dissimulation rentrée ... Elles baisent le serpent ...
Jules Bois, Le satanisme et la magie , Paris, Chailley, 1895, p. 12
Er vergaß es mehr und mehr, heute weiß ich es. Und aus jener Zeit stammt gewiss dieser kurze, benebelte Text.
Filename: Ennoia
Du warst überraschend zu mir nach Hause gekommen. Und du hattest dieses Gras. Ich wollte nichts davon, denn ich erlaube keiner pflanzlichen Substanz, sich in die Funktionsweise meines Gehirns einzuschalten (aber ich lüge: ich rauche Tabak und ich trinke Destillate aus Korn). Jedenfalls, die paar Male zu Anfang der sechziger Jahre, wenn mich jemand nötigte, an einer Joint-Runde teilzunehmen, mit diesem aufgeweichten, speichelgetränkten Papier, und der letzte Zug mit der Nadel, dann musste ich immer lachen.
Aber gestern warst du's, die mir einen anbot, und ich dachte, das wäre vielleicht deine Art, dich anzubieten, und so rauchte ich gläubig. Wir tanzten eng, wie man es seit Jahren nicht mehr tut, und das – welche Schande – während die Vierte von Mahler lief. Mir war, als hielte ich ein antikes Geschöpf in den Armen, ein leichtes und schwebendes Wesen mit dem sanften Runzelgesicht einer alten Gemse, eine Schlange, die aus der Tiefe meiner Lenden aufstieg, und ich betete dich an wie eine uralte, universale Muhme. Vermutlich tanzte ich weiter eng an deinen Körper geschmiegt, aber ich spürte, wie du dich zum Fluge erhobst, dich in Gold verwandeltest, geschlossene Türen öffnetest und Dinge in der Luft schweben ließest. Ich war dabei, in deinen dunklen Bauch einzudringen, Megale Apophasis. Gefangene der Engel.
Bist du's vielleicht gar nicht, die ich suchte? Vielleicht bin ich hier, um immer auf dich zu warten. Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich dich nicht erkannte? Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich dich erkannte und mich nicht getraute? Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich, während ich dich erkannte, schon wusste, dass ich dich wieder verlieren sollte?
Wo bist du gestern Abend geblieben? Heute Morgen wachte ich auf und hatte Kopfschmerzen.
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Obwol wir (die Jüngeren) bisher gar nicht wußten,
wann unser geliebter Vater R.C. Gestorben ... ,
wußten wir uns doch wol noch einer Heimlichkeit
zu erinnern, so A., des D. Successor (der letzte auß
dem andern Reyen, der mit vielen auß uns gelebt)
durch verborgene Reden von den 120 Jahren uns
dem dritten Reyen vertrawet.
Fama Fraternitatis , in Allgemeine und General Reformation ,
Kassel, Wessel, 1614
Ich stürzte mich auf die Lektüre der beiden Rosenkreuzer-Manifeste, der Fama und der Confessio , und warf auch einen Blick in die Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz von Johann Valentin Andreae, weil Andreae als Verfasser der Manifeste gilt.
Die beiden Manifeste waren in Deutschland zwischen 1614 und 1616 erschienen. Also drei Jahrzehnte nach dem Treffen von 1584 zwischen den Engländern und den Franzosen, aber gut ein Jahrhundert vor dem geplanten Treffen der Franzosen mit den Deutschen.
Ich las die Manifeste mit dem Vorsatz, nicht zu glauben, was sie besagten, sondern sie gegen den Strich zu lesen, als besagten sie etwas anderes. Ich wusste, dass man, um sie etwas anderes besagen zu lassen, Absätze überspringen und manche Aussagen höher als andere bewerten musste. Aber genau das war es, was uns die Diaboliker und ihre Meister lehrten. Wer sich im subtilen Tempo der Enthüllungen bewegen will, darf nicht den sturen, pedantischen Ketten der Logik und ihrem monotonen Eins-nach-dem-andern folgen. Andererseits, wenn man die Manifeste wörtlich nahm, waren sie eine Anhäufung von Absurditäten, Rätseln und Widersprüchen.
Also konnten sie nicht besagen, was sie zu sagen schienen, und folglich waren sie weder ein Appell zu einer tiefgreifenden spirituellen Reform noch die Geschichte des armen
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