Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Kompositionsaufgaben lösen, zum Beispiel »Rückkehr des verlorenen Sohnes«, »Trauer«, »Regen«, »Herbst« oder »Wahrsagerin«. Das Professorenkollegium der Akademie lässt Hitler durchfallen. Begründung: »Probezeichnung ungenügend, wenig Köpfe«.
Ungeliebte Erinnerungsstätten
Nur diejenigen Orte seiner Vergangenheit ließ Hitler herausputzen, die zur Propaganda taugten – Braunau und Leonding. Doch so leicht wollten sich die Waldviertler nicht ins Abseits drängen lassen – für sie galt während des Nazi-Regimes gerade ihr Gebiet als die eigentliche Heimat der Hitlers. Und die Bewohner zeigten früh ihre Anhängerschaft für den Emporkömmling. Bei der Nationalratswahl im Jahr 1930 holte die NSDAP im Waldviertel bereits 10 Prozent der Stimmen. In Horn und Krems ließen örtliche Parteifunktionäre Reden Hitlers im Jahr 1932 per Lautsprecher auf öffentlichen Plätzen übertragen. Die NSDAP-Ableger im Waldviertel eroberten schon vor dem Regimewechsel in Österreich bei den Gemeinderatswahlen 1932/33 die Rathäuser: In Stein, Zwettl, Gmünd und Krems regierten nationalsozialistische Bürgermeister. Was Wunder, dass die Offiziellen ihre Sympathie auch voller Stolz demonstrierten: Mit zahlreichen Ehrenbürgerschaften, »Hitler-Eichen«, Gedenktafeln, Straßennamen ehrten sie stolz den »Ahnengau des Führers«. Bereits im Juli 1932, noch vor dem Machtwechsel der Nationalsozialisten in Deutschland, ernannte die Gemeinde Autendorf bei Drosendorf »den Führer der gewaltigsten Freiheitsbewegung aller Zeiten, den Sohn unseres Heimatlandes Österreich« Adolf Hitler zum Ehrenbürger, einen Monat später folgte Groß-Poppen als »Zeichen unwandelbarer Treue«.
Doch der Geehrte hielt überhaupt nichts davon, das Scheinwerferlicht auf die alte Heimat der Hitlers zu lenken. In einem Dekret befahl er im November 1938, er wünsche keine »Gedenktafeln, die zur Erinnerung an Vorfahren des Führers oder an Aufenthalte des Führers selbst dienen sollen«. Als die Gemeinde in Spital im Jahr 1942 eine weitere Tafel anbringen lassen wollte, rastete der Diktator endgültig aus und forderte ihre sofortige Entfernung. Das eigens angelegte Ehrengrab seiner Großmutter musste ebenso verschwinden wie ein Alois-Hitler-Platz.
Den radikalsten Schnitt vollzog Hitler jedoch mit der Umwandlung der Ahnenheimat in einen Truppenübungsplatz für die Wehrmacht, den größten des Deutschen Reiches. Schon wenige Monate nach dem Anschluss Österreichs im Frühjahr 1938 ließ der Diktator ein 200 Quadratkilometer großes Gebiet mitten im Waldviertel zu einem Schießgelände für die Armee herrichten. Der Truppenübungsplatz Döllersheim erstreckte sich im Süden bis zum Kamp-Fluss, im Norden über den Ort Allentsteig hinaus, im Westen reichte das Areal bis an die Stadtgrenze von Zwettl, im Osten bis zur Region um Neupölla. Schon am 8. August 1938 fand das erste Artillerieschießen auf dem Land statt. Die Gegend wurde zum Sperrgebiet erklärt und von der Wehrmacht einverleibt. Betroffen waren einige der Orte, die wichtige Stätten der Familie Hitler waren: So wurde Hitlers Vater Alois in Strones bei Döllersheim geboren, nahm dort statt Schicklgruber den Namen Hitler an, Großmutter Maria Anna Schicklgruber erblickte ebenfalls in Strones das Licht der Welt, lebte in der Region, starb in Klein-Motten und fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Döllersheim. Zweifellos eine wichtige Gegend für die Geschichte der Familie – und die war nun mit einem Federstrich zum Niemandsland verwandelt worden und der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.
Einige Historiker vertraten die These, die Umwandlung des Gebiets in einen Truppenübungsplatz habe nichts mit Hitlers Familiengeschichte zu tun. Doch diese Auffassung lässt sich nicht halten. Zwar war die Region dünn besiedelt, Industrie fehlte, was die Räumung erleichterte. Auch der hohe Anteil an Nazi-Sympathisanten ließ weniger Widerstand gegen die Zwangsmaßnahmen erhoffen. Doch all diese Argumente gelten für andere Gegenden in Österreich und Deutschland auch. Vor allem aber liegt Döllersheim gerade am Rand des Truppenübungsplatzes, es wäre deshalb leicht gewesen, durch einen anderen Grenzverlauf mit einem Federstrich die Heimat der Hitlers vor der Zerstörung zu bewahren. Aber es kam anders, die ländlichen Wurzeln der Familie verschwanden auf Hitlers Befehl von der Landkarte – und lebten nur noch in der Erinnerung der Bevölkerung fort.
Die Umwandlung des Landstriches fand
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