Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
für die Sowjets hinzu, dass die Bauern auf ihrem Gut im Waldviertel zwei russische Arbeiter beschäftigten und dass Maria Koppensteiner von Adolf Hitler 600 Mark erhielt – von dem Betrag ließ sie sich drei Goldkronen für die Zähne machen. Die Bäuerin musste bei ihrer Verhaftung ihre drei Kinder allein zurücklassen, der Sohn Adolf war fünf Jahre alt, die beiden Schwestern 15 und 16 Jahre. Die Geschwister erfahren erst im Jahr 1955, was mit ihren Eltern geschehen ist: Ignaz Koppensteiner lebt eine Zeit lang in derselben Zelle Nummer 63 wie Johann senior und Eduard Schmidt. Die drei reichen eine Petition an den Gefängnisvorsteher ein: »Wir bitten um Genehmigung, nachts mit zugedeckten Händen zu schlafen, weil wir mit bloß gelegtem Oberkörper vor Kälte nicht schlafen können. Außerdem sind Johann Schmidt und Ignaz Koppensteiner nicht im Besitz einer Gefängnisdecke und unsere eigenen Decken sind schon sehr schadhaft und zerrissen. So bitten wir dieselben vom Gefängnis zu empfangen.« 247 Ignaz Koppensteiner stirbt am 3. Juli 1949 um 3.15 Uhr. Offizielle Todesursache: Tuberkulose, Schwäche, Appetitlosigkeit, Herzstillstand. Seine Frau Maria Koppensteiner stirbt am 6. August 1953 im Gefängnis in Werchne-Uralsk. Offizielle Todesursache: Dekompensierter Herzschlag.
Damit bezahlt eine Reihe der Waldviertler Verwandten ihre zufällige Mitgliedschaft im Club der Hitlers mit dem Leben. Bei den meisten von ihnen sind schwere Verbrechen nach der Aktenlage nicht auszumachen. Sie waren den Russen einfach deshalb verdächtig, weil sie über den gleichen Stammbaum verfügten. Damit traf es die Schmidts und Koppensteiners schwerer als Adolf Hitlers Bruder oder dessen Schwestern, die alle eines natürlichen Todes starben und von Gefängnisstrafen verschont blieben. Zumindest erfuhren die Bauern aus dem »Ahnengau des Führers« posthum Gerechtigkeit: Im Jahr 1997 rehabilitiert der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation, Abteilung Hauptkriegsstaatsanwalt, die Verwandten Hitlers. Nur Johann Schmidt junior wird wegen seines Einsatzes in der Waffen-SS diese formelle Wiedergutmachung verweigert. Im August 1997 erklärt das »Kriegsgericht der zweifach mit dem Rotbannerorden ausgezeichneten Baltischen Flotte«: »Schmidt Johann wurde zu Recht verurteilt und ist nicht zu rehabilitieren.«
Der Kampf um Hitlers Erbe
Nach der paradox späten amtlichen Bestätigung des Todes Adolf Hitlers aus dem Jahr 1956 hatte seine Schwester Paula als nächste leibliche Verwandte einen Erbschein auf seinen Nachlass beantragt und nach juristischem Hickhack seltsamerweise tatsächlich im Jahr 1960 zwei Drittel des Nachlasses zugesprochen erhalten. Sie konnte mit dem Triumph vor Gericht aber nichts mehr anfangen, weil sie überraschend im Juni desselben Jahres starb. Damit war der Kampf um das Hitler-Erbe jedoch noch lange nicht zu Ende.
Paula Hitlers Hinterlassenschaft ging nach einem Beschluss des Amtsgerichtes Berchtesgaden vom 25. Oktober 1960 (Aktenzeichen VI 108/60) an die Kinder der verstorbenen Halbschwester Angela Raubal, verheiratete Hammitzsch. Die neuen Erben waren nun Sohn Leo Raubal, Jahrgang 1906, und Tochter Elfriede »Friedl« Raubal, Jahrgang 1910. Leo, der seinen Onkel Adolf schon seinerzeit im Gefängnis in Landsberg besucht hatte, trat im Jahr 1939 als Leutnant der Luftwaffe in die Wehrmacht ein und wurde im Januar 1943 bei Stalingrad von den Russen gefangen genommen. Adolf Hitler setzte sich für seinen Neffen ein und versuchte, ihn gegen Jakob Stalin auszutauschen, den Sohn des sowjetischen Diktators, der in deutsche Gefangenschaft geraten war. Der aber lehnte mit den Worten ab: »Krieg ist Krieg.« Jakob starb im Gefangenenlager, die Sowjets entließen Leo Ende September 1955 aus der Kriegsgefangenschaft, seitdem arbeitete der Hitler-Neffe in Linz als Lehrer. Adolfs Nichte Elfriede ehelichte im Juni 1937 in Düsseldorf den Rechtsanwalt Dr. Ernst Hochegger, der 1910 in Waidhofen/Ybbs geboren wurde. Die Hocheggers wohnten nach dem Krieg ebenfalls in der alten Heimat der Hitlers, in Linz in der Hörzingerstraße 40. Die Nachkommen beanspruchten nun Adolf Hitlers Nachlass.
Doch gibt es überhaupt etwas zu erben? Der Diktator, der sich in der Propaganda stets als bedürfnisloser Mensch darstellte, der nur am Wohl von Partei und Volk interessiert ist, war in Wirklichkeit mehrfacher Millionär. Die Schätzungen seines privaten Vermögens gegen Kriegsende bewegen sich bei zehn Millionen Mark, manche Historiker setzen
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