Die Hitze der Hölle
reagieren? Sie konnten ihn kaum zurückweisen, er hatte aber auch keine Garantie, daß sie sich zur Zusammenarbeit willig zeigen würden. Corbett kreisten die Gedanken wie ein kleiner Hund, der um einen Bratenspieß hechelt. Er war so sehr in seine Überlegungen vertieft, daß er auf einmal erschrocken feststellte, daß sie Framlingham Manor schon fast erreicht hatten. Als sie sich den schweren eisenbeschlagenen Toren näherten, ahnte Corbett bereits, daß etwas nicht in Ordnung war. Der kleine Wachturm über den Toren war bemannt, und ein Trupp Bogenschützen stand Wache. Ihre weißen Umhänge mit dem roten Kreuz leuchteten.
»Bleibt, wo Ihr seid!« ertönte eine laute Stimme.
Corbett hielt inne und hob die Hand zum Zeichen seiner friedlichen Absichten. Ein Templer-Soldat trat auf sie zu. Sein Gesicht wurde fast ganz von einem Kettenpanzer und einem schweren Helm mit Nasenschutz verdeckt. Er stellte eine Reihe Fragen, und erst als Corbett den Ring des Königs und seine Vollmachten hervorzog, wurden die Tore geöffnet und sie durften weiterreiten. Zwei Soldaten gingen vor ihnen her, einen schattigen, gewundenen Weg zwischen Bäumen entlang. Gelegentlich knackte es im Farn zu beiden Seiten des Weges. In der Nähe bellte ein Hund. Ranulf brachte sein Pferd neben Corbetts.
»Was ist hier los?« flüsterte er. »Die Tore sind befestigt. Und überall sind Templer-Soldaten mit Hunden.«
»Ist etwas nicht in Ordnung?« rief Corbett.
Einer der Soldaten blieb stehen und kam dann zu ihnen. »Habt Ihr das nicht gehört?« fragte der Templer. »Sir Guido, der Kustos des Herrenhauses, ist heute früh getötet worden. Er starb in der Mitte des Irrgartens. Er verbrannte.«
»Verbrannte?« fragte Corbett.
»Ja. Ob das Feuer aus dem Himmel oder der Hölle kam, das wissen wir nicht. Der Großmeister und alle Kommandanten des Templerordens befinden sich in einer Ratssitzung.«
Er führte Corbett und seine Gefährten weiter den Weg entlang. Es ging um eine Kurve, und sie kamen auf die große Wiese vor Framlingham Manor. Das Herrenhaus war ein stattliches vierstöckiges Gebäude, das es mit jedem Kaufmannshaus aufnehmen konnte, mit zahlreichen Anbauten und zwei Seitenflügeln. Es hatte die Form eines Hufeisens, ein großes, palastartiges Anwesen. Das Sockelgeschoß war aus Stein, die oberen Stockwerke waren aus Fachwerk, dessen Putz zwischen den schwarzen Balken mit Goldfarbe gestrichen war. Das Dach bestand aus rötlichem Schiefer. Die verglasten Fenster funkelten in der Abendsonne. Trotz all dieser Pracht waren die Stille und die gedrückte Stimmung deutlich spürbar. Der Soldat führte sie um das Herrenhaus und in den Hof bei den Stallungen. Die Pferdeknechte und Stallburschen wirkten verängstigt. Sie eilten herbei, als harrten sie begierig jeder Ablenkung. Corbett befahl Ranulf und Maltote, das Packpferd zu bewachen, und folgte dem Soldaten durch eine Hintertür in einen getäfelten Gang.
Der Ritter, den Scheich Al-Jebal den Unbekannten genannt hatte, glitt vor dem Lazar Hospital unweit der Kirche St. Peter-Le-Willows am Walmer Gate Bar aus dem Sattel seines Pferdes. Eine Weile lehnte er gegen sein Pferd und hielt sich mit einer Hand am Sattelknauf fest. Die andere lag auf dem Griff seines riesigen Zweihänders, der vom Sattelknauf herabhing.
»Ich muß sterben«, flüsterte der Unbekannte.
Die schreckliche Krankheit, die ihn befallen hatte, war jetzt bereits an großen offenen Wunden auszumachen. Er hatte versucht, diese mit einem Umhang mit Kapuze zu verbergen, der ihn von Kopf bis Fuß einhüllte, sowie mit einem schwarzen Tuch, das die untere Hälfte seines Gesichts bedeckte, und mit schwarzen Stulpenhandschuhen. Das alte Streitroß, das er in Southampton gekauft hatte, schnaubte und wieherte. Erschöpft ließ es den Kopf hängen.
»Wir sind beide erledigt«, murmelte der Unbekannte. »Gott ist mein Zeuge, ich schaffe es nicht weiter.«
Er hatte mehrere Tage damit verbracht, sich in York umzusehen, auch in Richtung Botham Bar und Framlingham Manor. Er hatte aus dem Schutz von Bäumen die Kommandanten des Templerordens und ihren Seigneur, Jacques de Molay, beobachtet. Der Anblick ihrer Umhänge und ihrer flatternden Banner und Wimpel hatte ihm das Herz schwer gemacht und ihm die Tränen in seine erlöschenden Augen getrieben. Seit seiner Entlassung hatten seine Rachegelüste nachgelassen. Vor dem Tod wollte er noch Frieden mit seinen Brüdern und mit Gott schließen, und der Tod war sehr nahe. Jahrelang war der
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