Die Hitze der Hölle
interessiere. Bleib mal da stehen.« Corbett zog sein Schwert. »Gut, Ranulf, du bist das Opfer, und ich bin der Angreifer.« Er nahm sein Schwert in beide Hände, rannte vor und schlug Ranulf leicht mit der flachen Seite auf den Bauch.
»Hat es sich so zugetragen, Herr?«
Corbett steckte sein Schwert wieder in die Scheide. »Möglicherweise. Aber warum ist das Opfer dem Schwert nicht ausgewichen? Warum hat es nicht sein Pferd gewendet und ist geflohen?«
»Es war dunkel«, bemerkte Ranulf.
Corbett schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Warum erst den Mann halbieren und dann nur den Oberkörper verbrennen? Und wenn du das Opfer bist, also irgendein harmloser Reisender, warum fliehst du dann nicht?«
»Wie wollen wir wissen, daß er so harmlos war?« fragte Ranulf. »Wir haben keine Waffen gefunden.« Corbett sah die Landstraße entlang zurück. »Außerdem scheint er kaum Widerstand geleistet zu haben.«
»Kam das Opfer aus York, oder war es dorthin unterwegs?« erkundigte sich Ranulf.
Corbett schüttelte den Kopf. »Soweit ich mich erinnern kann, gab es keine einzige Petition, in der nach dem Verbleib eines Bürgers der Stadt York gefragt wurde. Es wurde auch niemand vermißt gemeldet.«
»Wieso meint Ihr«, fragte Maltote, »daß es sich bei dem Angreifer um einen Templer gehandelt hat?«
Corbett tätschelte den Hals seines Pferdes. »Das gefällt mir, Maltote. Gute Fragen, die den Kern der Sache treffen. Ich glaube, daß es sich um einen Ritter gehandelt hat«, fuhr er fort. »Wie bereits gesagt, den Körper eines anderen Menschen mit einem Schlag zu durchtrennen, erfordert ungeheure Kraft, aber auch Geschicklichkeit. Du mußt dir das so vorstellen, Maltote. Der Mörder läuft mit dem Schwert in den Händen auf sein Opfer zu. Dann schwingt er es nach hinten wie ein Bauer die Sense und durchtrennt sein Opfer glatt über dem Schritt. Nur ein geübter Ritter, ein erfahrener Krieger, kann ein Schwert mit solcher Genauigkeit und Macht schwingen. Ich habe das in Schottland und Wales gesehen. Das kann nur, wer jahrelang im Krieg war.«
»Aber warum ein Templer?« beharrte Maltote.
»Weil sie über diese Fertigkeiten verfügen und weil Framlingham nicht weit ist. Soviel ich weiß, waren die einzigen anderen Ritter, denen ich so etwas Zutrauen würde, beim König.«
»Zwischen dem Mord auf dieser einsamen Landstraße und dem Tod des Meuchelmörders in der Stadt besteht also ein Zusammenhang?« wollte Ranulf wissen.
»Ja, beide Männer wurden ermordet und ihre Leichen anschließend verbrannt. Warum und von wem, das ist ein Geheimnis.«
»Was ist, wenn das Opfer ebenfalls ein Templer war?« fragte Maltote, der immer noch stolz über das Lob war, das Corbett ihm ausgesprochen hatte.
»Möglich«, entgegnete Corbett. »Das könnte auch erklären, warum sich bisher noch niemand um die sterbliche Hülle gekümmert und warum man das Pferd und die übrige Leiche nicht gefunden hat. Doch«, meinte er nachdenklich, »ich habe irgendwie das Gefühl, daß er kein Templer war.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber auch dafür habe ich keinen Beweis.« Corbett schaute wiederum auf den Brandfleck und dann in das grüne Dunkel der Bäume. »Wir werden sehen«, murmelte er.
Eine Weile ritten sie schweigend. Corbett versuchte sich über die Schwierigkeiten klarzuwerden, die ihn erwarteten. Wer war das Opfer auf der einsamen Landstraße? Warum wurde er ermordet? Warum hatte man anschließend seine Leiche angezündet? Warum hatte niemand den Toten gekannt? Warum hatte ein Sergeant der Templer versucht, den König zu ermorden? Warum war er dann selbst von einem rätselhaften Feuer verzehrt worden? Konnte es wirklich sein, daß der Templerorden so von Gier und Intrige unterwandert war? Gab es dort eine nachtschwarze Verschwörung, die sich die Vernichtung der Regenten durch Mord und Schwarze Magie zum Ziel gesetzt hatte? Wer war Sagittarius? Corbett schloß die Augen, sein Pferd fand auch so den Weg. Dann war da diese Geschichte mit den Münzen. Wer hatte die Mittel, schwere Goldmünzen zu prägen? Woher stammte das Edelmetall? Wie kamen die Münzen unter die Leute? Hatte diese Sache ebenfalls mit den Templern zu tun? Hatten sie das Geheimnis der Alchimie entdeckt? Konnten sie wertloses Metall in Gold verwandeln? Corbett öffnete wieder die Augen. Was vermochte er in Framlingham auszurichten? Er trug den Ring des Königs in seinem Beutel und die königliche Vollmacht in seiner Brieftasche, aber wie würden die Templer
Weitere Kostenlose Bücher