Die Hitze der Hölle
Beine waren immer von Wunden bedeckt, wenn er den Irrgarten verließ, und er brauchte Hilfe, um zum Refektorium zu kommen. Odo sagt, es sei ein wunderschöner Morgen gewesen. Der Himmel sei gerade heller geworden, da habe er Sir Guidos fürchterliche Schreie gehört. Er stand auf und sah eine Rauchsäule aus der Mitte des Irrgartens aufsteigen. Gleich danach gab er Alarm. Als er mit einigen Soldaten die Mitte erreichte, fand er das hier.« Legrave erhob sich und schlug das Bahrtuch zurück.
Corbett warf nur einen kurzen Blick auf den Toten und wandte sich dann ab. Reverchiens Körper war vollkommen verkohlt. Von seinen versengten Haaren bis hin zu den erschütternden Stiefeln war alles bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, Fleisch, Fett und Muskeln, alles war zu einer schlackenartigen Asche verglüht. Hätte Corbett die Form des Kopfes nicht erkannt und die Stellen, an denen Augen, Nase und Mund einmal gewesen waren, hätte er gedacht, einen verkohlten Baumstamm vor sich zu haben.
»Deck den Toten wieder zu!« befahl de Molay. »Bruder Guido ist tot. Seine Seele ist bei Christus. Wir müssen herausfinden, wie er starb.«
»Muß der Tote nicht dem städtischen Leichenbeschauer übergeben werden?« wollte Corbett wissen.
»Wir haben unsere Rechte«, entgegnete Branquier unwirsch, »die uns die Krone zugebilligt hat.«
Corbett wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Warum seid Ihr hier?« wollte der Schatzmeister jetzt kurz angebunden wissen.
»Laßt uns unserem Gast mit Höflichkeit begegnen«, mischte sich William Symmes ein.
Er saß neben Corbett und lächelte seinen Nachbarn an. Auf einmal schrak der Bevollmächtigte auf. Ein kleines pelziges Etwas hüpfte von Symmes’ Schoß in seinen. Corbetts Entrüstung entschärfte die gespannte Stimmung etwas. Symmes sprang auf, entschuldigte sich und nahm Corbett eilig das kleine Wiesel aus dem Schoß.
»Das ist mein Haustier«, erklärte er.
Corbett schaute über die Armlehne auf das kleine gelbbraune Tier mit seiner spitzen Schnauze, zuckenden Nase und dem unverwandten Blick seiner schwarzen Knopfaugen. Symmes wiegte es in den Armen wie einen Säugling und streichelte es. »Er ist immer so«, sagte er, »neugierig, aber dabei freundlich.« De Molay klopfte auf seine Armlehne, und alle Augen richteten sich auf ihn.
»Ihr seid doch wegen der neuesten Vorfälle in der Stadt hier, Sir Hugh? Wegen des Angriffs auf den König!«
»Ja. Der Täter ist ein Sergeant Eures Ordens, Walter Murston.« Corbett beachtete die erstaunten Ausrufe nicht weiter. »Die Sache stellt sich folgendermaßen dar: Murston feuerte zwei Armbrustbolzen auf den König, als das königliche Gefolge die Trinity Lane entlangkam.«
»Und?«
»Als ich in die Dachkammer der Schenke trat, in der Murston auf der Lauer gelegen hatte, war er ebenfalls von einem geheimnisvollen Feuer getötet worden. Es hatte die obere Hälfte seines Körpers verbrannt.«
»Woher wollt Ihr dann wissen, daß es Murston war?« fragte Legrave.
»Wir fanden seine Satteltasche, einen Templerumhang und eine liste von Lebensmittelkäufen mit seinem Namen. Ich bin mir sicher, daß Eure eigenen Nachforschungen ergeben werden, daß der Sergeant fort ist und in Eurer Waffenkammer eine Armbrust fehlt.« Corbett schaute Branquier an. »Ihr braucht Euch auch keine Gedanken mehr darüber zu machen, woran Murston gestorben ist. Sir John de Warrenne, der Earl Marshall von England, hat verfügt, daß er in York an den Galgen gehängt wird.«
De Molay lehnte sich zurück. Corbett fiel auf, daß seine asketischen Züge, die die eines Heiligen waren, eine aschfahle Färbung angenommen hatten. Dunkle Ringe um die Augen des Großmeisters bewiesen, daß er nur wenig geschlafen hatte und innerlich sehr aufgewühlt sein mußte. Ihr wißt das selbst, dachte Corbett. Ihr wißt, daß hier etwas faul ist. Es gärt innerhalb des Ordens.
De Molay holte tief Luft. »Murston war einer meiner Leute«, sagte er. »Ein Angehöriger meines Gefolges. Er stammte aus der Gascogne und gehörte zum französischen Kapitel unseres Ordens.«
»Warum sollte gerade er den Versuch machen, den König zu ermorden?« fragte Corbett.
De Molay tippte sich gegen die Stirn. »Murston diente in Outremer. Die Hitze dort kann die Sinne eines Mannes verwirren. Er war ein guter Sergeant, sein Verstand war aber leider etwas durcheinander.«
»Das ließe sich über viele Menschen in York sagen, und sie versuchen trotzdem nicht, Hochverrat zu begehen und den König zu
Weitere Kostenlose Bücher