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Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Unbekannte in den Verließen des Alten Mannes der Berge dem Tode entronnen, aber jetzt, in der Sonne des Schöpfers, in einem Land, in dem Kirchenglocken über sattgrüne Auen hallten, was war dort die Rache schon wert? Gott hatte bereits sein Urteil gesprochen...
    »Kann ich helfen?«
    Der Unbekannte drehte sich um und faßte dabei nach dem Griff des Dolches, den er im Gürtel stecken hatte. Der freundliche alte Klosterbruder verzog keine Miene, als der Unbekannte die Seidenmaske vom Gesicht zog.
    »Ihr leidet an Aussatz«, flüsterte der Bruder. »Braucht Ihr Hilfe?«
    Der Unbekannte nickte und schaute in die sanften, wäßrigen Augen. Er öffnete seinen vernarbten Mund, um zu sprechen, da warf sein Pferd den Kopf zur Seite, und ihm wurde schwindlig. Alles verschwamm, der Klosterbruder und die Wände des Lazar Hospitals hinter ihm. Er schloß die Augen und sackte vor den Füßen des Bruders zusammen.

4

    I n Framlingham führte ein Sergeant Corbett eine dunkle Mahagonitreppe hinauf und einen kahlen, widerhallenden Gang entlang. Kreuze und Wappenschilde verschiedener Ritter hingen an den Wänden, dazwischen die ausgestopften Köpfe von Wölfen und Hirschen, die ihn glasig anstarrten. Der Gang bekam nur durch ein Fenster am anderen Ende Licht und hatte deshalb eine etwas bedrohliche Stimmung. Licht und Dunkel mischten sich unheimlich. An Ecken und in Türnischen standen Soldaten Wache, reglos wie Statuen. Sie gingen eine weitere Treppe hinauf und kamen in den Ratssaal. Er war oval und hatte abgesehen von zwei riesigen Bannern mit dem Zeichen der Templer kahle Wände. Es gab keinen Kamin, nur eine offene Feuerstelle mit einem Rauchabzug hoch oben in der Decke. Ein kalter, Ehrfurcht einflößender Raum ohne Möbel und Teppiche, die Fenster Schießscharten. Ein seltsamer Geruch von verbranntem Fett hing in der Luft und erinnerte Corbett an die brennenden Dörfer in Schottland. Ihm drehte sich der Magen um. Die Kommandanten des Templerordens saßen in einem prächtigen geschnitzten Chorgestühl, das die Form eines Hufeisens hatte. Sie verstummten, als Corbett eintrat. De Molay, der in der Mitte saß, winkte Corbett zu einem Platz neben sich. Der Bevollmächtigte ging an einem Tisch vorbei, auf dem ein Leichnam lag, der von einem dünnen, mit Goldfäden gesäumten Seidenstoff bedeckt wurde. Um den Toten herum standen purpurne Wachskerzen. Ein gespenstischer Anblick und die Ursache des fürchterlichen Gestanks. Was nicht recht passen wollte, waren die schmutzigen Stiefel, die unter dem Stoff hervorragten.
    »Wir haben mit Eurem Kommen gerechnet, Sir Hugh.« De Molay deutete auf den Tisch. »Wir beraten über die Todesursache, wie es die Regeln unseres Ordens vorsehen. Der Hüter dieses Herrenhauses, Sir Guido Reverchien, wurde heute morgen unter rätselhaften Umständen getötet. Er verbrannte bei lebendigem Leib inmitten des Irrgartens.«
    Corbett warf einen Blick in die Runde der Kommandanten des Templerordens. Mit ihren versteinerten Mienen und ihrer sonnengebräunten Haut unterschieden sie sich kaum voneinander. Keiner hieß ihn willkommen.
    »Jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang«, fuhr de Molay fort, »machte Sir Guido seine private Wallfahrt in das Herz des Irrgartens, egal, wie das Wetter war. Er hatte ihn im Laufe der Jahre so gut kennengelernt, daß er seinen Weg auch im Dunkeln fand. Er sprach Gebete und ließ die Perlen seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten.«
    Corbett schaute auf den Katafalk. Er hatte von solchen Irrgärten gehört. Wer sein Gelübde, sich auf einen Kreuzzug oder eine Wallfahrt zu begeben, nicht einzulösen in der Lage war, konnte dafür sühnen, indem er sich auf den Knien die steinigen Wege eines Labyrinths entlangquälte, bis zu dessen Mittelpunkt, in dem ein Kreuz oder ein Christusbild aufgerichtet war.
    »Wie konnte er in einem Irrgarten ein solches Ende finden?« wollte Corbett wissen.
    »Deswegen sind wir hier versammelt«, erklärte Legrave. »Offensichtlich hatte Sir Guido die Mitte erreicht. Er entzündete gerade die Kerzen am Fuß des Kreuzes, als ihn das geheimnisvolle Feuer erfaßte.«
    »Sonst war niemand dort?« fragte Corbett.
    »Niemand«, antwortete Legrave. »Kaum einer kennt die Geheimnisse dieses Irrgartens. Sein alter Freund Odo Cressingham, unser Bibliothekar, hat immer den Eingang bewacht. Vor Sir Guido war niemand in den Irrgarten gegangen, und niemand war ihm gefolgt. Odo saß auf einem Absatz in der Wiese, wie er das jeden Morgen tat. Sir Guidos Knie und

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