Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
Vom Netzwerk:
Leben einfach wegwirft. Was ist Ehrenvolles an einem blutigen Leichnam? Auch Gefangenschaft kann einen nicht mit Stolz erfüllen.«
    »Ihr seid nicht geflohen«, bemerkte Branquier.
    De Molay schlug mit dem Griff seines Messers auf die Tischdecke. »Das habt Ihr mir doch alle voraus. Ich war noch nicht einmal dort. Ich habe die sengende Hitze der Wüsten in Outremer nie kennengelernt. Ich habe weder den Schrei der Mamelucken, der einem das Blut in den Adern gefrieren läßt, gehört noch die rohe Grausamkeit der Schlacht erlebt. Akka ist nicht unseretwegen verlorengegangen, sondern weil...« Er fing Corbetts Blick auf, und seine Stimme erstarb. Dann hob der Großmeister erneut die Augen. Sie standen voller Tränen. »Erzähl es uns noch einmal, Odo«, flüsterte er. »Erzähl uns, wie die Stadt fiel.«
    »Die Belagerung nahm im März ihren Anfang.« Odos Stimme war tief und sanft. Er lehnte sich zurück, schloß die Augen und schuf mit seinen Worten großartige Bilder. »Wie Ihr alle wißt, war Akka eine dem Untergang geweihte Stadt. Und doch waren die Straßen voller Leben und die Tavernen überfüllt. Es wurde bis spät in die Nacht gezecht. Syrische und griechische Mädchen warteten im Obergeschoß der Weinschenken. Eine fieberhafte Aufregung ergriff von der Stadt Besitz, als die Türken damit begannen, sie einzukesseln.« Er öffnete wieder die Augen. »Warum«, fragte er, »tanzen dem Tode Geweihte eigentlich noch ausgelassener? Sir Hugh, wart Ihr je in einer Schlacht?«
    »Ich bin in Wales ab und zu in einen Hinterhalt geraten und habe auf dem Marsch nach Schottland die nasse Heide kennengelernt, aber nichts im Vergleich mit Euch, Bruder Odo.« Corbett sah sich in der Runde der Templer um. »Ich kann niemanden dafür verurteilen, was er in einer Schlacht getan hat, denn ich bin mir nicht sicher, was ich selbst tun würde.«
    Odo prostete ihm wortlos zu und setzte dann seine Erzählung fort. »Der entscheidende Angriff war im Mai. Die Einschläge der Steinschleudern und das Donnern der Rammböcke gegen die nachgebenden Stadtmauern, das Prasseln und Wüten der riesigen Brände — und dann diese Trommeln. Erinnert Ihr Euch, Brüder, an den gnadenlosen Takt der Mamelucken-Trommeln?«
    »Noch heute«, sagte Branquier, »kann ich diese Trommeln hören, wenn ich schlaflos in meiner Zelle liege.« Er sah sich verzagt um. »Ich stehe dann auf, schaue durch das Fenster auf die Schatten zwischen den Bäumen und frage mich, ob mich Satan mit seinen Heerscharen verhöhnt.«
    Odo nickte. »Ich stand im Westen auf der Stadtmauer. Eine Bresche wurde geschlagen, man vergoß Öl, das den Boden schwärzte und einen Rauchschleier erzeugte. Die Mamelucken füllten die Gräben mit Tierkadavern. Die Lasttiere rannten kopflos in die Wallgräben und brachen sich dort das Genick. Über diese Wälle konnten die Mamelucken nachrücken. Von uns waren nicht mehr viele in der Stadt. Ich war müde, der Rauch nahm mir die Sicht, und meine Arme waren wie Blei.« Er machte eine Pause. »Hinter dem Rauchschleier konnten wir den Gesang der Derwische und die Trommeln hören. In dem grauen Licht vor der Dämmerung kam der erste Angriff — dunkle Massen, als würde die Hölle Legionen von Dämonen ausspeien. Wir wehrten sie ab, aber ihnen folgten einige Regimenter Mamelucken in Rüstung, und die Stadtmauern wurden eingenommen. Wir wichen zurück und kamen an einer Gruppe Mönche vorbei, Dominikanern. Sie hatten sich versammelt, um das >Salve Regina< zu singen. Wir konnten sie nicht retten. Überall um uns herum starben Menschen. Sie verbrannten in ihren Türmen, in den Türen ihrer Häuser oder auf den Barrikaden, mit denen sie die Gassen versperrt hatten.«
    »Aber Ihr habt sie aufgehalten«, unterbrach ihn Branquier. »Eine Weile zumindest, Bruder Odo, habt Ihr sie aufgehalten.«
    »Ja. Eine Straße führte hinunter zu den Docks. Alle flohen dorthin. Jede Ordnung war zusammengebrochen, und die Schiffe fällten sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit mit Menschen. Ich und noch etwa zwei Dutzend weitere Templer — ausgewählte Männer — hielten die letzte Barrikade.« Odo setzte sich gerade auf. Sein Gesicht wurde jünger, und seine Augen leuchteten vor Erregung. »Wir kämpften den ganzen Nachmittag und sangen dabei die >Paschales Laudes<, die Osterhymne, bis sich selbst die Ungläubigen zurückzogen und uns versprachen, uns das Leben zu schenken. Wir lachten sie aus, und sie griffen wieder an. Feuerbälle regneten auf unsere Barrikaden;

Weitere Kostenlose Bücher