Die Hitze der Hölle
ist sein Fang? Ist er verbrannt oder nicht?«
Corbett nickte. »Sehr gut, Ranulf, aber eine Frage bleibt offen: Wie brach das Feuer aus?«
»Das ist es ja, weshalb ich denke, daß er bereits tot war«, fuhr Ranulf fort. »Erinnert Euch, Herr, der Sergeant sah, daß die Flammen im Bug aufloderten, aber Odo machte keine Anstalten, sie zu ersticken. Er sprang weder erschrocken auf, noch versuchte er sich durch einen Sprung ins Wasser zu retten.« Er holte Luft. »Doch das ist alles, was mir dazu einfällt. Wie das Feuer ausbrach, ist ein Rätsel.«
Sie gingen zur Wiese zurück. Auf halbem Weg den Abhang hinauf setzte sich Corbett hin und streckte seine Beine in dem langen Gras aus. Er stützte sich mit den Händen ab und starrte in den blauen Himmel. Dann schloß er die Augen. Er genoß die Wärme, den süßlichen Duft des niedergetretenen Grases und der Wiesenblumen, das Zwitschern der Vögel in den Bäumen und das Summen der Bienen.
»Mit geschlossenen Augen«, murmelte er, »würde ich sagen, ich bin im Paradies.«
Ranulf stöhnte. »Wäre ich jetzt in einer Schenke in Cheapside mit einem Krug Ale in der Rechten und meiner Linken auf dem Knie eines hübschen Mädchens, dann würde ich Euch zustimmen, Herr.« Er riß ein Grasbüschel aus. »Herr, diese Warnungen der Sekte der Assassinen. Warum benutzte sie der Angreifer?«
Corbett öffnete wieder die Augen. »Die Assassinen sind eine mohammedanische Sekte«, erklärte er. »Sie kleiden sich weiß und haben blutrote Schärpen und Pantoffel. Sie leben unter dem Kommando des Alten Mannes der Berge in ihrer Burg, dem Adlerhorst, in der Nähe des Toten Meeres. Der König hat gelegentlich von ihnen erzählt. Ihre Festung befindet sich auf der Spitze eines Berges, der sich nicht bezwingen läßt. Hier gibt es von Mauern umgebene Gärten mit exotischen Bäumen, Marmorbrunnen, wunderschönen Blumenbeeten und Pavillons, die mit Seidenteppichen ausgelegt sind. Die Mitglieder dieser Sekte, die >Hingebungsvollen<, leben von Safranbrot und Wein, der mit Opiaten versetzt ist. Sie träumen vom Paradies. Gelegentlich schickt sie der Alte Mann los, um die zu ermorden, über die er sein Todesurteil verhängt hat. Die Assassinen richteten unter den Kreuzrittern fürchterliche Blutbäder an.« Corbett schaute auf den See. »Sie sind ein Alptraum, Phantome aus der Hölle, die die Menschen in größten Schrecken versetzen, besonders unseren König. Edward träumt immer noch von dem Anschlag auf sein Leben, obwohl der schon gut dreißig Jahre zurückliegt.«
»Könnte es sein, daß Assassinen Mitglieder des Templerordens sind?« fragte Ranulf. »Abtrünnige, die ihren Gelübden abgeschworen haben? Oder könnte nicht auch sein«, er sprach hastig weiter, »daß die Assassinen diese Templer-Verschwörung benutzen, um die westlichen Königreiche zu schwächen?« Corbett erhob sich und schüttelte die Grashalme von seinen Beinkleidern.
»Diese Frage kann ich nicht beantworten, Ranulf, aber ich denke, daß es an der Zeit ist, mit dem Großmeister zu sprechen.« Sie kehrten zum Herrenhaus zurück, und es gelang ihnen nach einer Weile, zum Großmeister vorgelassen zu werden. Dieser saß an einem Tisch, der über und über mit Handschriften bedeckt war. Er gab ihnen ein Zeichen, Platz zu nehmen.
De Molay rieb sich die Augen. »Das hier kann nicht ewig so weitergehen, Sir Hugh. Ich muß nach Frankreich zurück. Der Arrestbefehl des Königs muß aufgehoben werden.«
»Warum?« wollte Corbett wissen und dachte an den Boten, der die Straße nach Botham Bar entlanggaloppiert war. »Gibt es neue Schwierigkeiten in Paris?«
De Molay suchte unter seinen Papieren. »Ja, natürlich. Der Angriff auf Philipp von Frankreich wurde von einem Templer ausgeführt. Dieser Sergeant war einer der schon erwähnten Hitzköpfe. Man überantwortete ihn der Inquisition, und selbstverständlich hat er gestanden.«
»Aber das habe ich Euch bereits berichtet.«
»Ihr wißt jedoch noch nicht«, entgegnete de Molay, »daß Philipp von Frankreich vor einigen Tagen über die Grand Ponte zurück zum Louvre Palast ritt, nachdem er Gräber in St. Denis besucht hatte. Offensichtlich«, de Molay warf das Pergament wieder auf den Tisch, »wurde in diesem Moment ein weiterer Mordanschlag auf ihn verübt. Paris schwirrt nur so von Gerüchten und skandalösen Theorien. Das Großkapitel fordert meine Rückkehr.«
»Und ist an diesen Gerüchten etwas dran?«
De Molay wich seinem Blick aus.
»Großmeister«, sagte Corbett
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