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Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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eindringlich, »ich bin nicht Euer Feind. Ich bewundere Euren Orden. Männer wie Bruder Odo oder Sir Guido waren wahrhafte Ritter des Kreuzes, aber, um Gottes willen, öffnet Eure Augen. Irgendwas hier stinkt zum Himmel. Sind Euch«, fuhr Corbett fort, »die Gerüchte und Vorwürfe der Päderastie zu Ohren gekommen, die gegen einige Eurer Gesellschaft erhoben werden?«
    De Molay schaute wütend auf. »Haltet mir keine Predigt, Corbett! Ich kann Euch Dutzende Bischöfe nennen, die Geliebte haben, Priester, die zu Huren gehen, Edelmänner, die eine Vorliebe für Pagen haben. Natürlich gibt es Brüder, die gegen die Versuchungen des Fleisches nicht gefeit sind. Aber das sind wir beide auch nicht!«
    »Und diese Morde?« fragte Corbett. »Großmeister, könnt Ihr sie erklären? Oder könnt Ihr erklären, warum sich ein Templer derselben Warnungen bedienen sollte wie der Alte Mann der Berge? Könnte es in Eurem Orden einen oder mehrere Abtrünnige geben, Assassinen? Wie sieht Euer Verhältnis zu dieser Sekte aus?«
    De Molay lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und spielte mit einem Pergamentmesser mit schmaler Klinge. »Jahrhundertelang hat der Templerorden die heiligen Stätten bewacht«, entgegnete er. »Wir haben Burgen gebaut und sind seßhaft geworden. Wir schlossen mit allen Frieden. Bloß weil jemand Allah anbetet und einen in der Schlacht bekämpft, heißt das noch lange nicht, daß man sich nicht in Friedenszeiten mit ihm an einen Tisch setzt und mit ihm Gedanken und Geschenke austauscht.«
    »Aber die Assassinen?« fragte Corbett.
    »Ja, auch mit den Assassinen. Sie kontrollieren Handelswege, und bestimmte Gebiete fallen unter ihre Gerichtsbarkeit. Sie lassen sich bestechen wie alle anderen.«
    »Also trieb Euer Orden Handel mit ihnen?«
    »Ja, und um Euch die nächste Frage zu ersparen, Sir Bartholomew Baddlesmere und William Symmes waren einmal als Abgesandte im Adlerhorst Sie waren Gäste des Alten Mannes der Berge.«
    »Warum habt Ihr uns das nicht eher gesagt?«
    »Ich dachte nicht, daß das von Bedeutung ist«, antwortete de Molay kurz angebunden. »Baddlesmere und Symmes haben die wunderschönen Gärten gesehen, eisgekühltes Scherbett getrunken und den Reden des Alten Mannes gelauscht. Ja, sie waren seine Gäste, aber das macht sie noch lange nicht zu Abtrünnigen. Die Assassinen sind nicht unsere Feinde.«
    »Wer dann?« fragte Corbett.
    »Die westlichen Prinzen«, antwortete de Molay. »Sie sehen unsere Herrenhäuser, Landsitze, Scheunen, großen Herden und fruchtbaren Äcker. Beim Gedanken an die Schätze im Temple in Paris und in London, Köln, Rom und Avignon juckt es ihnen in den Fingern. Was machen die Templer eigentlich, fragen sie. Wozu brauchen sie diese Macht und diesen Reichtum? Ließe sich beides nicht besser verwenden?«
    »Ihr habt also keine Idee, wer der Mörder sein könnte?« fragte Corbett zum wiederholten Male.
    »Ich weiß auch nicht mehr als Ihr, Sir Hugh!« De Molay schob ein Pergament zur Seite und hob einen Brief hoch. »Ich sende einen Boten zum König.«
    Corbett nickte.
    »Ich werde ihn um Erlaubnis bitten«, fuhr de Molay fort, »nach Frankreich zurückkehren zu dürfen.« Er beugte sich über den Tisch und schaute Corbett finster an. »Überlegt Euch das einmal, Sir Hugh. Hier sitze ich, der Großmeister des wichtigsten Kriegerordens der Christenheit, und muß darum bitten, heimreisen zu dürfen, und auch noch Geld als Sicherheit für mein gutes Betragen hinterlegen.« De Molays Gesicht lief vor Wut rot an. »Gott möge mir diese Bemerkung vergeben, Sir Hugh, aber eine solche Demütigung könnte einen Heiligen dazu veranlassen, Rachepläne zu schmieden!«

    Einige Stunden später saß Sagittarius in den Wäldern oberhalb des Sees auf dem Stamm eines umgestürzten Baums. Er entfernte Flechten und Moos von seinen Kleidern und schaute gleichzeitig auf den Griff des Schwertes, das im Boden vor ihm steckte. Beim Anblick des Kruzifixes, das in den Griff eingraviert war, wurde sein Gesicht hart. Er wiegte mit dem Oberkörper vor und zurück. Sein Herr oder zumindest sein neuer Herr hatte recht — der Orden war am Ende. Was würde es dann noch nützen? Er sah über den See und dachte an Bruder Odo.
    »Das tut mir leid«, flüsterte er.
    Ja, es tat ihm wirklich leid, daß der Alte sterben mußte. Aber mit seinem guten Gedächtnis und seiner Neigung, sich in alles einzumischen, hätte der Bibliothekar eine Gefahr für ihn werden können. Sagittarius leckte sich über die Lippen.

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