Die Hitze der Hölle
Widerhaken versehener Bolzen in die Regalbretter über ihm ein. Corbett mußte sich sehr zusammennehmen, nicht in Panik zu geraten. Er schaute sich hastig um. Die Fenster waren zu klein. Da gab es kein Entkommen.
»Wisse, daß wir Macht über dich besitzen und daß das so sein wird, bis wir unsere Mission erfüllt haben!«
Corbett, der sich flach hingelegt hatte, spähte um die Ecke. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Am anderen Ende der Bibliothek stand eine Gestalt in einer fußlangen schwarzen Robe und mit einem Turnierhelm auf dem Kopf. In der Hand hielt sie eine Armbrust und spannte ein weiteres Mal. Ein Klick, und der Bolzen bohrte sich ins Holz, wo Corbetts Kopf eben noch gewesen war. Und dann war da auf einmal ein anderes Geräusch — Schritte. Die Gestalt kam langsam näher. Wenn sich Corbett erheben und auf ihn zurennen würde, wäre er doch nicht schnell genug. Er hätte den Bolzen der Armbrust in der Kehle, lange ehe er seinen geheimnisvollen Angreifer erreichte. Er schluckte trocken. Lange würde er seine Angst nicht mehr in Schach halten können. Seltsamerweise mußte er gerade jetzt wieder an den Boten des Königs denken, der die Auffahrt von Leighton Manor hinaufreiten würde. Maeve würde ihm entgegeneilen... Corbett wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und faßte seinen walisischen Dolch noch fester. Er schaute sich erneut um und entdeckte eine kleine Tür in einer der Lesenischen. Jesus Christus, betete er, mach, daß sie nicht verschlossen ist.
Er streckte seinen Kopf vor, zog ihn aber schnell wieder zurück, als ein weiterer Armbrustbolzen wie ein Habicht durch die Luft schwirrte. Dann war er auf den Beinen, noch ehe der geheimnisvolle Armbrustschütze den nächsten Bolzen anlegen konnte. Fluchend schob Corbett das Lesepult beiseite und öffnete den Riegel, aber die Tür bewegte sich nicht. Er warf sich dagegen. Die Schritte kamen näher. Da bemerkte er weiter oben noch Riegel. Er zog sie zurück, und die Tür ging auf. Die Lederscharniere knarrten. Corbett warf sich hindurch und schlug sie hinter sich zu. Die Tür führte auf einen Gang, und Corbett lief, so schnell er konnte, um die nächste Ecke, so schnell, daß er einen Templer umrannte. Er beachtete dessen Rufe nicht weiter und hielt erst an, als er in einem kleinen verwilderten Garten hinter dem Turnierplatz war.
Er kniete hin, um wieder zu Atem zu kommen. Dann steckte er seinen Dolch weg und ging zurück ins Gästehaus. Er knallte die Tür ihres Zimmers hinter sich zu, verriegelte sie, durchsuchte den Raum sorgfältig und ließ sich anschließend aufs Bett fallen. Allmählich wurde aus der Erleichterung Wut, eine rasende Wut darüber, daß er beinahe doch in die Falle gegangen wäre. Er war versucht, durch das Herrenhaus zu laufen und zu verlangen, zu de Molay vorgelassen zu werden, und von ihm eine Untersuchung zu fordern. Aber was wäre damit bewiesen? Nur seine eigene Angst. Der Angreifer hatte die Bibliothek längst wieder verlassen und war spurlos verschwunden. Corbett stand auf und wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser. Dann trocknete er es langsam ab und dachte an die in eine schwarze Robe gehüllte Gestalt, die Armbrust und die Bolzen, die überall um ihn herum durch die Luft geschwirrt waren.
»Zumindest weiß ich eins«, flüsterte Corbett, »er kam nicht aus der Hölle.«
Der Angriff in der Bibliothek, dessen war er sicher, war eine Verzweiflungstat gewesen. War Odo deswegen ermordet worden? Damit er der Ursache des fürchterlichen Feuers nicht auf die Spur kommen würde? Der Angreifer hatte bestimmt auch die Lesenische inspiziert. Da er aber vermutlich von Runen keine Ahnung hatte, hatte er den Pergamentfetzen übersehen, den Corbett jetzt in seiner Brieftasche verwahrte. Es klopfte. »Herr!«
Corbett schob die Riegel zurück. Ranulf und Maltote stürzten aufgeregt ins Zimmer.
»Sie sind hier!« rief Maltote.
»Halt den Mund!« schrie Ranulf. »Ich habe sie gefunden, Herr, Brandspuren wie an der Straße nach Botham Bar. Erinnert Ihr Euch an die Bäume bei der Ringmauer? Maltote und ich haben dort Brandspuren entdeckt.« Er schaute seinen Herrn an. »Wollt Ihr nicht mitkommen? Herr, was ist passiert?«
Corbett erzählte es ihnen.
»In der Bibliothek!« rief Ranulf. »Warum gerade dort, Herr?«
»Weil der Angreifer wußte, daß ich dort sein würde, und weil er mich daran hindern wollte, etwas zu finden.« Corbett zog den Pergamentfetzen aus der Brieftasche. »Laßt das mit den Brandspuren erst einmal auf sich
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