Die Hitze der Hölle
beruhen. Maltote, ich möchte, daß du nach York reitest.« Corbett ging zum Tisch, nahm eine Schreibfeder und schrieb einen kurzen Bescheid mit dem, was er auf Odos Zettel gelesen hatte. »Geh zum König im Palast des Erzbischofs bei York Minster!« Er reichte Maltote die Nachricht. »Gib ihm das. Falls er dich fragt, was hier vorgefallen ist, dann sag ihm...« Corbett verzog das Gesicht, »dann sag ihm die Wahrheit. Ich brauche so schnell wie möglich eine Antwort.«
»Kann ich Maltote begleiten?« fragte Ranulf hoffnungsvoll. »Nein, das geht nicht. Noch ein paar Tage ohne Yorks Fleischtöpfe werden deiner Seele, ganz zu schweigen von deinem Körper, nur guttun.«
Maltote zog eilig los, um seine Satteltaschen zu packen. Dann kam er zurück, um sich zu verabschieden. Auf dem Weg nach draußen rannte er fast den Korridor hinunter.
»Da sieht man einen glücklichen Menschen«, sagte Ranulf. »Was machen wir jetzt?«
»Laß uns ein wenig Spazierengehen, Ranulf. Die Sonne und die frische Luft werden uns guttun.«
Sie schlenderten in den Park. Corbett versuchte, so gut es ging, sich zu entspannen. Dann begaben sie sich zur Bibliothek. Die Tür stand offen. Als sie jedoch in die Lesenische kamen, stellten sie fest, daß jemand die Armbrustbolzen aus der Wandtäfelung gezogen hatte. Abgesehen von einigen Kratzern dort und an der Hintertür, erinnerte nichts an den Mordanschlag. Sie gingen zu den Ställen. Nachdem sie etwas herumgefragt hatten, fanden sie schließlich den Sergeanten, der Odo und sein Boot hatte in Flammen aufgehen sehen.
»Kommt«, sagte Corbett, »laßt uns zum Seeufer gehen, und erzählt uns alles.«
Der Sergeant zuckte mit den Schultern, warf den Gürtel, den er gerade reparieren wollte, in eine Ecke und machte sich mit ihnen auf den Weg zum See. Unterwegs berichtete er, was geschehen war.
»Wie lange war Bruder Odo bereits auf dem See?« wollte Corbett wissen.
»Oh, einige Zeit, zwei oder drei Stunden.«
»Und Ihr standet Wache?«
»Ja, ich patrouillierte auf der Wiese und langweilte mich zu Tode. Ab und zu schaute ich auf den See. Es war heiß, ich wurde müde.« Er hielt inne, als sie in den Schatten der Bäume kamen, die direkt am Seeufer standen. »Ich schaute auf und sah die Flammen. Als wäre das Feuer direkt aus dem See gekommen.« Corbett deutete auf den Holzsteg, der in den See ragte.
»Odos Boot, The Ghost of the Tower, lag hier?«
»Ja. Odo stieg immer ohne Hilfe hinein und ruderte dann auf den See. Dort saß er stundenlang mit seiner Angelrute.«
Corbett trat auf den Steg. Ein seltsames Gefühl, daß sich der See zu beiden Seiten von ihm bewegte. Am Ende des Stegs bemerkte er einige geschwärzte Holzstücke, die im Wasser trieben.
»Ihr kamt hierher?«
»Ja, aber als ich das Ende des Stegs erreicht hatte, stand schon alles in Flammen, da war nichts mehr von dem Boot übrig.« Corbett sah über die Schulter. »Was meint Ihr damit?«
»Das Feuer verbrannte auch den Boden des Bootes. Das Seewasser schien da keine Rolle zu spielen.« Der Templer wirkte mit einmal besorgt. »Deswegen denke ich auch, daß es das Höllenfeuer war.«
»Und als die Flammen erloschen?« fragte Corbett.
»Das dauerte eine ganze Weile. Zum Schluß waren nur noch ein paar wenige Planken übrig, einige Kleiderfetzen und die verkohlte Leiche von Bruder Odo.«
»Gibt es hier im See viele Fische?« wollte Ranulf wissen. »Natürlich«, antwortete der Sergeant. »Besonders Forellen. Sie werden auch oft in der Küche zubereitet, ganz frisch, mit einer Sahnesauce.«
»Aber Ihr saht keine Fische?« fragte Ranulf. »Ich meine, Bruder Odo hatte doch schon einige Stunden geangelt, und im See wimmelt es von Fischen. Er müßte doch ein paar gefangen haben?«
»Ich habe keine Fische gesehen. Sie sind vielleicht auch verbrannt.«
Corbett dankte ihm, und der Sergeant kehrte zu den Bäumen zurück.
»Du glaubst, daß Odo bereits tot war, als das Feuer ausbrach?« fragte Corbett.
»Ja, Herr.« Ranulf ging langsam den Steg entlang zum Ufer. »Habt Ihr bemerkt, Herr, daß die Bäume diesen Steg verdecken? Odo war vermutlich erst zu sehen, als er die Mitte des Sees erreicht hatte. Ich denke, er war schon tot, als man ihn in das Boot verfrachtet hat. Dann hat man ihn einfach in sitzender Stellung festgebunden. Er trug einen Umhang mit Kapuze, niemand würde es also vom Ufer aus bemerken. Warum sollte ein alter Templer an einem warmen Frühlingstag einen Umhang mit Kapuze tragen? Außerdem, wenn er geangelt hat, wo
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