Die Hitze der Hölle
ritt sehr schnell und brüllte die Leute an, aus dem Weg zu gehen.«
Corbett seufzte. »Das war dann wohl Scoudas. Und der ist auch tot. Wir wissen also jetzt, daß alle Templer, einschließlich Baddlesmere, in York waren, als der König angegriffen wurde. Wir wissen, daß sie alle auf eigene Faust unterwegs waren, sich aber bei Botham Bar trafen und die Stadt verließen, noch ehe ich die Drohung auf der Ouse Bridge erhielt. Sie waren ganz sicher schon außer Reichweite, als aus einem Hinterhalt mit der Armbrust auf mich geschossen wurde. Der einzige Templer, der sich zu diesem Zeitpunkt in York befand, war Scoudas.« Corbett setzte sich auf die Bettkante. War es möglich, überlegte er, daß die Männer, die hinter diesen Anschlägen steckten, also Baddlesmere und Scoudas, bereits tot waren? Hatte Baddlesmere deswegen die Stadt mit de Molay verlassen, um ein Alibi zu haben, während sein Freund und Liebhaber Scoudas den Überfall ausführte? Wenn das der Fall war, Corbett hatte Mühe, seine Erregung zu unterdrücken, dann würde es keine weiteren Morde geben, und er konnte das dem König berichten. Er sah seine beiden Gefährten an.
»Laßt mich eine Weile allein, ja?« murmelte er.
Claverley leerte seinen Becher. »Ich habe noch eine Nachricht für Euch.«
»Ja?«
»Ein Aussätziger, ein unbekannter Ritter, stirbt gerade im Spital der Franziskaner. Er behauptet, Templer zu sein, und wünscht mit Euch zu sprechen.«
»Ein Templer, ein Aussätziger!« rief Ranulf. »Könnte das der geheimnisvolle Reiter mit Kapuze aus dem Wald an der Straße nach Botham Bar sein?«
Claverley zuckte mit den Schultern.
Corbett lächelte schwach. »Ranulf wird Euch begleiten. Aber geht nicht zu weit. Möglicherweise müssen wir schnell aufbrechen.«
Als die beiden das Zimmer verlassen hatten, versuchte Corbett seine Gedanken zu ordnen. Alles sprach dafür, daß Baddlesmere der Schuldige war, und doch stimmte da etwas nicht. Es ging ihm aber so viel im Kopf herum, daß er nicht darauf kam. Er würde ganz sicher nach York reiten und den Aussätzigen im Spital aufsuchen. Er nahm die Liste, die ihm Claverley gegeben hatte, zog die Goldmünze aus seinem Geldbeutel und schaute auf das rote Wachs auf dem Rand, dann griff er zerstreut nach seinem Becher. Mitten in der Bewegung hielt er inne und dachte an das Weinfaß, das er nach Framlingham mitgebracht hatte. Er sah erneut auf die Liste.
»Natürlich!« sagte er halblaut. »In vino veritas!«
11
H ubert Seagrave, Schankwirt und Weinhändler des Königs, wischte sich über sein schweißbedecktes Gesicht. Er war aschfahl geworden. Entsetzt schaute er Sir Hugh Corbett an, der am anderen Ende seines Kontors saß. Roger Claverley, der Vertreter des Sheriffs, hatte zur Linken des Bevollmächtigten Platz genommen. Corbetts katzenäugiger Diener stand hinter ihnen. Seagrave blickte auf die Goldmünze, die auf dem Tisch lag. »Natürlich, natürlich«, stammelte er, »habe ich schon solche Münzen gesehen. Pures Gold.« Er schaute verzagt auf seine ebenfalls bleiche Frau und seine kleinen Söhne, die ihn ängstlich anblickten.
»Schließ die Tür, Ranulf«, sagte Corbett. »Also, Master Seagrave.« Der Bevollmächtigte schob seinen Stuhl näher an den Kontortisch heran und bewunderte die Intarsien der Tischplatte, ein schwarzweißes Schachbrettmuster. »Ich werde noch einmal von vorne anfangen. Diese Münze und andere wie diese sind nicht die Arbeit eines unbedeutenden Fälschers, sondern eines reichen und mächtigen Mannes. Dieser Mann entdeckte einen Schatz, der rechtmäßig der Krone zufallen würde, aber er entschloß sich, das Gold im Schmelzofen seiner Schmiede einzuschmelzen und Münzen daraus zu prägen. Er gebrauchte dafür dieselben Formen, die er auch für die roten Wachssiegel verwendet, mit denen er seine Waren versiegelt. Nur ein Dummkopf würde mit diesen Münzen auf den Markt gehen und Waren von ausländischen Kaufleuten kaufen. Er erstand also seine Waren mit diesen Münzen direkt von den Kaufleuten, und diese gingen dann auf den Markt von York, um ihrerseits mit diesem Gold ihre Einkäufe zu tätigen. Der Sinn dieses Tricks liegt auf der Hand: Der Krone entgeht ein Schatz, mit dessen Hilfe der Kaufmann seinen Reichtum mehrt, und vier oder fünf ausländische Kaufleute verwenden das Gold, um damit Waren zu kaufen, die sie in ihre Heimat mitnehmen. Wer würde ihnen jemals auf die Spur kommen? Wer würde außerdem jemals eine Frage stellen? Die Händler von York sind nur zu
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