Die Hitze der Hölle
Kreuzarmen Amethyste funkelten.
»Ein unermeßlicher Reichtum. Ich fand das alles vor ungefähr drei Monaten, als die Bauleute im Garten gruben«, berichtete Seagrave. »Sie mußten wegen des Schnees und des Frosts eine Pause machen. Ich untersuchte die Grube, und meine Kinder spielten in einem der Gräben. Sie zogen einen Pflasterstein weg, der mit seltsamen Zeichen versehen war. Ich gesellte mich zu ihnen und sah mir das genau an.« Seagrave dachte eine Weile nach. »Ich weiß nicht, ob es sich um ein Kanalisationsrohr oder um eine Wasserleitung aus Ulmenholz handelte. Ich steckte meine Hand hinein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaubte zu träumen, denn ich zog einen Beutel nach dem anderen aus dem Rohr hervor. Alle waren mit Münzen gefüllt.« Er ließ auf einmal wieder den Kopf hängen. »Eure Vermutung war falsch, Sir Hugh. Ich könnte solche Münzen beim besten Willen nicht prägen.«
»Sie sehen aber so neu aus«, entgegnete Corbett. »Das Kreuz auf beiden Seiten und das rote Wachs am Rand.«
»Ich habe die Chroniken und Geschichten der Stadt studiert«, sagte Seagrave. »York hieß früher Jorvik. Die plündernden Wikinger hatten hier ein Lager.« Er deutete auf die Kostbarkeiten, die funkelnd auf dem Tisch lagen. »Vielleicht raubte einer der Wikingerfürsten Kirchengold und schmolz es ein. Und da er abergläubisch war, prägte er auf beide Seiten ein Kreuz.«
»Kerzenhalter«, warf Claverley ein. »Sir Hugh, es muß sich um Kerzenhalter gehandelt haben. Das erklärt auch das rote Wachs.«
Corbett hob eine Handvoll Münzen hoch und ließ sie durch die Finger rinnen.
»Seltsam«, murmelte er. »Ich hielt meine Schlußfolgerung, die Münzen seien frisch geprägt, für besonders klug.«
»Sie trifft auch zu«, entgegnete Seagrave. »Wer immer diese Münzen geprägt hat, hat sie nie benutzt, sondern sie sofort mit dem Rest des Schatzes versteckt. Sie müssen ihm dasselbe Pech gebracht haben wie mir. Die hölzernen Rohrleitungen waren angekohlt und die Erde um sie herum auch. Ich wußte nicht, was ich tun sollte«, fuhr er fort. »Ich war diese ewigen Silbermünzen leid, und hätte ich sie beim Schatzamt abgeliefert, was hätte ich davon schon gehabt? Beamte des Königs hätten mich verhört, mir unterstellt, ich hätte die Münzen gestohlen, und sie hätten jede gesetzliche Finte benutzt, um den Schatz ganz behalten zu können. Wieviel davon, Sir Hugh, wäre wohl in der Schatzkammer des Königs gelandet? Die Beamten des Königs unterscheiden sich auch nicht sonderlich von den Weinhändlern des Königs — allen juckt es in den Fingern.«
»Ihr hättet Euch direkt an den König wenden können«, sagte Corbett.
»Am Tage Eurer Ankunft«, erwiderte Seagrave, »kam mir auch dieser Gedanke. Fast hätte ich die Selbstbeherrschung verloren und alles gestanden, aber...« Er zuckte mit den Schultern. »Ich war schon zu weit verstrickt. Ich wartete, bis der König nach York kam. Die großen Herren, der Hof, Schreiber, Gefolgsleute in Livree. So viele Fremde in der Stadt, eine passende Gelegenheit, das Gold unter die Leute zu bringen. Die königlichen Hoflieferanten waren unterwegs und erstanden alles mögliche, auf den Märkten wurde soviel verkauft wie nie.« Seagraves Gesicht verzerrte sich, und Tränen flössen ihm die aschfahlen Wangen herunter. »Jetzt habe ich alles verloren«, murmelte er.
Plötzlich wurde die Tür des Kontors aufgerissen, und Seagraves Frau trat ein. Zwei kleine Kinder klammerten sich an ihrem Rock fest.
»Was wird geschehen?« In ihrem hübschen Gesicht mischten sich Angst und Besorgnis.
»Wartet draußen, Mistress Seagrave«, bat Corbett sie. »Der König fordert seine Schätze ein, nicht das Leben eines Mannes. Was Euer Mann gemacht hat, ist verständlich.«
Als die Tür sich wieder geschlossen hatte, sagte Corbett mit sanfter Stimme zu Seagrave, der sich die Augen getrocknet hatte und ihn erwartungsvoll ansah: »Was Ihr tun müßt, Master Seagrave, ist, um eine Audienz beim König nachsuchen. Nehmt den Schatz mit. Erwähnt nicht, daß ich hier war...« Corbett dachte nach. »Nein, erzählt ihm, ich wäre hiergewesen und Ihr hättet mich gefragt, ob es möglich sei, Seine Hoheit zu treffen.«
»Und dann?« fragte Seagrave besorgt.
»Bittet um Gnade«, fuhr Corbett fort, »und öffnet die Beutel. Glaubt mir, Master Seagrave, der König wird Euch küssen wie einen Bruder, vorausgesetzt, Ihr liefert alles ab.«
»Ihr meint...«, sagte Seagrave.
»Verdammt noch mal, Mann!«
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