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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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wie neulich schon mal. Na, die habich hochkantich rausgeschmissen, hättste sehn sollen! Bitte, warn die nu bei dir oder nich?«
    »Ja«, sagte Freyja.
    »Erzähl!«
    Freyja wusste nicht, ob es gut war, über die Begebenheit zu sprechen, aber Marthe bat so inständig, dass sie sagte: »Ja, die beiden waren da. Ich wollts zuerst nicht glauben, aber sie waren leibhaftig da. Taten schön, die zwei, und redeten rum, von wegen, sie hätten mich nicht angeschwärzt, niemals, und alles wär nur ein Irrtum.«
    »Wasde nich sachst!« Die Magd hörte so gebannt zu, dass sie darüber das Einreiben vergaß.
    »Sie fragten, ob ich was von ›Geschehnissen‹ in den Bergen wüsst.«
    »Gescheh… was?«
    »Sie sagten ›Geschehnisse‹, ob ich mich an was erinnern tät, und ich sagte, nein, sie sollten mich in Ruh lassen.«
    »Ach! Un kannste dich an was erinnern?« Marthe verteilte die rötliche Salbe weiter auf Freyjas Haut.
    »Nur an Augen und Hände. Und an eine Stimme.«
    Wieder hielt Marthe inne. »Ogottogott! Wie grauslich! Warns Hexenaugen un Hexenstimmen un so?«
    »Nein. Mehr weiß ich nicht.« Freyja tat es schon fast Leid, darüber gesprochen zu haben. »Leg mich wieder in die Kammer, bitte. Kann nicht mehr sitzen.«
    »Ja doch, armes Ding. Warte, ich tu noch Kalkpulver aufen Mund. Sooo … Musst viel durchgemacht ham. Na, vielleicht biste bald gesund. Wollens hoffen. Richtich gesund siehste noch nich aus, wirklich nich. Na, isja jetzt auch nich wichtich, ich tu dich wieder rein, nee, lass, ich heb dich runter un schieb dich rein … siehste, so … un sooo.«
    »Danke.« Freyja streckte sich in der Hitzkammer aus, deren Wärme ihr gut tat, da sie draußen bereits zu frösteln begonnen hatte.
    »Ich tus ja gern. Sach, das mit der Koechlin un der Drusweiler bleibt unter uns, nich? Sonst kommts noch raus, dassich geschlafen hab, un der Herr is sowieso so komisch zu mir inner letzten Zeit.«
    Freyja nickte. Sie war jetzt zu Tode erschöpft.
    »Dann is gut. Der Herr wollt nachher noch kommen un dir Brühe bringen.« Marthe packte ihre Sachen zusammen und schloss die Türklappe ab. Schweren Schrittes stapfte sie die Stiegen hinunter.
    »Ogottogott. Wo sollas bloß noch alles hinführn.«
    Lapidius streute Löschsand auf den Brief, den er soeben beendet hatte, pustete hilfsweise auf die Tinte und kippte schließlich den Sand fort. Es war ein Schreiben an die Glasmanufaktur in Murano, mit dem er eine stattliche Menge neuer Geräte orderte. Eigentlich wollte er die Bestellung schon lange fortgeschickt haben, doch die Ereignisse der letzten Tage hatten ihn immer wieder daran gehindert. Er stand auf und ging in die Küche, wo die Magd mit der Zubereitung des Mittagsmahls beschäftigt war. »Marthe, hast du Freyj a versorgt?«
    »Ja, Herr, habich. Is schon ne Ewichkeit her.«
    »Geht es ihr gut?«
    »Es geht. Wenns nich so war, hättichs bestimmt gesacht.« Lapidius überging die unziemliche Antwort und blickte hinter den lockeren Ziegel. »Wo ist der Schlüssel zu ihrer Kammer?«
    Die Magd fasste in ihre Schürzentasche. »Hier, Herr.«
    »Ich habe dir doch gesagt, wenn ich nicht im Haus bin, soll der Schlüssel stets in der Wand versteckt sein. Das heißt im Umkehrschluss, wenn ich daheim bin und du hast ihn, händigst du ihn mir natürlich aus.« »Ja, Herr. Habs vergessen. Gibt heut Suppe mit Hühnchen.«
    Lapidius grunzte, füllte eigenhändig einen Becher Brühe ab und machte sich auf in den Oberstock. »Ich bringe dir Brühe, hoffentlich ist sie nicht zu heiß«, sagte er, als er vor der Türklappe stand.
    Freyj as Antwort blieb aus.
    Erst jetzt erkannte er, dass sie schlief. »Oh«, murmelte er, »ich will dich nicht wecken«, und wandte sich wieder der Treppe zu. Da hörte er unvermittelt ihre Stimme:
    »Hab wieder einen Zahn verloren.«
    »Einen Zahn?«
    »Und Wimpern und Brauenhärchen. Sämtlich weg.«
    Lapidius eilte zurück und schloss auf. »Ja, ich sehe es. Sei nicht traurig. Die Haare wachsen bestimmt nach, und den Zahn will ich verwahren. Wo ist er denn?«
    »Ich weiß nicht.«
    Er öffnete die Klappe, so weit es ging, und bemühte sich, dabei an ihren Brüsten vorbeizusehen. »Ich will einmal nachschauen.« Nach kurzer Suche hatte er das Beißwerkzeug im Stroh entdeckt.
    »Ein oberer Schneidezahn.«
    »Ja«, sagte sie. »Ich werd immer hässlicher.«
    Lapidius hielt den Zahn gegen das Licht. »Unsinn. Ich hebe ihn auf wie die anderen. Vielleicht sitzt er irgendwann wieder an alter Stelle. Es gibt da

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