Die Hitzkammer
schaute in die Unterlagen und verneinte dann. »Nur drei, Herr Magister. Es sind …«
»Lasst nur, wie heißt der Unverheiratete?«
»Wilhelm Fetzer.«
»Wilhelm Fetzer«, wiederholte Lapidius langsam. Die Tatsache, dass der Mann nicht verheiratet war, machte ihn höchst verdächtig, denn Lapidius konnte sich schwerlich vorstellen, dass ein braver Familienvater die Gräueltaten in der Höhle mitzuverantworten hatte. »Wie alt ist Fetzer?«, fragte er.
»Zweiunddreißig«, antwortete der Pfarrer, nachdem er kurz gerechnet hatte.
»Und kennt Ihr ihn?«
»Ja, flüchtig. Er arbeitet als Stadtschreiber im Rathaus.«
»Aha, als Stadtschreiber«, sagte Lapidius. Und dann fasste er sich an die Stirn. Was war er nur für ein Hornochse! Er selbst war dem Mann schon begegnet, vor Tagen, als er ins Rathaus zitiert worden war, um sich die haltlosen Beschuldigungen gegen Freyja anhören zu müssen. »Ich werde ihn dort aufsuchen. Danke.«
»Da dürftet Ihr kein Glück haben. Fetzer hat eine Nachbarin, eine gottesfürchtige Frau, die täglich in mein Haus kommt, um den Herrn zu preisen; eben diese sagte mir gestern, er läge derzeit mit einem Schnupfen zu Bette.«
»Aha. Nun ja.« Lapidius überlegte. »Da Ihr die Nachbarin kennt, wisst Ihr sicher auch, wo Fetzer wohnt?«
Vierbusch faltete die Hände über seinem fülligen Leib. »Ich weiß es, oder vielmehr: Ich wusste es. Dem Herrn in seinem unerfindlichen Ratschluss hat es gefallen, in letzter Zeit mein Gedächtnis schwächer werden zu lassen …« Er blickte auf den Opferstock.
Lapidius fütterte erneut das Sammelbehältnis.
Vierbusch nannte langsam die Gasse, so, als müsse er sich gewaltig dabei konzentrieren.
»Ich danke Euch«, sagte Lapidius. »Ich wusste, Ihr würdet mich nicht enttäuschen.«
Lapidius mochte Kinder. Er liebte ihre leuchtenden Augen, ihre schniefenden Nasen, ihre ständige Neugier, ja mitunter sogar ihr Geschrei. Was er weniger schätzte, war, wenn er von ihnen angebettelt wurde, erst recht, wenn es so dreist geschah, wie die halbwüchsigen Jungen vor ihm es gerade taten.
»Gebt uns ein paar Kreuzer, Herr, gebt, gebt, gebt!« Der Größte zerrte Lapidius so heftig am Ärmel, dass dieser fast den Halt verlor.
»Ihr habt schon etwas bekommen!« Lapidius riss sich los. »Und ich kann dafür die Auskunft erwarten, um die ich euch bat. Wo also wohnt hier der Stadtschreiber Fetzer?« Er befand sich in einer Gegend Kirchrodes, in der die Armut vorherrschte. Heruntergekommene, schmale Häuser bestimmten das Bild – Bauwerke, die vor Familien überquollen. Mit blinden Fenstern und rußigen Fassaden, zwischen denen Leinen voller Wäschestücke hin und her liefen. Gestank, noch unerträglicher als in der Böttgergasse, schwängerte die Luft.
»Gebt, gebt, gebt!«, schrie der Größte unbeirrt. Es machte ihm sichtlich Freude, einen vornehmen Bürger in Bedrängnis zu bringen. »Nein, zum Donnerwetter! Verschwinde, oder es setzt ein paar Maulschellen! «
»Alter Geizhals!«, lachte der Bursche hämisch, »Geizhals, Geizhals!« Doch wich er vorsichtshalber zurück.
»Wer hat da meinen Namen gerufen?« In einiger Entfernung war eine Tür aufgestoßen worden. Auf der Schwelle stand ein Mann, dessen Äußeres von jener Art war, die sich nur schwerlich einprägt. Er trug einen fransigen Schnauzbart, der seine Oberlippe fast verdeckte, hatte kleine, kurzsichtig blinzelnde Augen und eine halbe Glatze. Seine Kleidung war wenig bemerkenswert, aber sauber.
»Ich war es«, sagte Lapidius, der sich einen Augenblick lang vorzustellen versuchte, wie der Kerl mit zwei Hörnern auf der Stirn aussah. Der Versuch misslang.
»Ihr?« Die Augen des Mannes zogen sich fragend zusammen, während er mit einer Handbewegung die Jungen verscheuchte. Er trat dabei zwei Schritte vor, und Lapidius bemerkte sein Hinken.
»Ja, ich. Wir sind einander schon einmal begegnet. Im Rathaus war es. Ihr seid doch Wilhelm Fetzer, der Stadtschreiber?«
Der Mann nickte misstrauisch.
Lapidius überlegte rasch, wie er das Gespräch am besten weiterführte, um Fetzer auszuhorchen. Sollte er den Harmlosen spielen, der wie zufällig fragte, oder sollte er die Dinge beim Namen nennen? Er entschloss sich, wohl auch aus Verärgerung über die bettelnden Burschen, alle Höflichkeiten beiseite zu lassen. »Nun, ich beglückwünsche Euch zu Eurer schnellen Genesung, denn wie ich hörte, fesselt Euch ein Schnupfen ans Bett. Sicher wart Ihr gerade auf dem Weg ins Rathaus, um Eure Arbeit wieder
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