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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Möglichkeiten.«
    »Bitte, mach die Tür wieder zu.«
    Er spürte, dass er rot wurde. »Entschuldige, natürlich.« »Wie würd das denn gehen?«
    »Bitte?«
    »Wie würd das denn gehen, dass ich wieder Zähne hab?«
    »Ach so.« Lapidius zog die Truhe heran, stellte den Becher darauf und setzte sich daneben. »Der Wunsch nach heilen Zähnen ist so alt wie die Sehnsucht nach ewiger Jugend. Ich habe gelesen, dass manch einer sich deshalb Jahre hindurch nur von Gras, Ampfer und Möhren nährte – wie ein Kaninchen.«
    »Wie ein Kaninchen?« »Ja, weil diesem die Vorderzähne immer wieder nachwachsen.«
    Freyja lachte leise.
    »Der Mensch kommt auf die absurdesten Einfälle, wenn es um seinen Körper geht. Aber ich weiß auch von ernsthafteren Versuchen, das Gebiss wieder herzustellen. Man fertigt dazu Zähne aus den unterschiedlichsten Materialien an. Aus Elfenbein, Rinderknochen oder Hartholz. Am besten eignet sich Elfenbein. Kunstvoll zurechtgeschnitzt unterscheidet es sich kaum von einem Menschenzahn. Der Nachteil ist nur, dass alle diese Dentes sich nicht im Kiefer verankern lassen.«
    »Richtige Zähne auch nicht?«
    »Auch die nicht. Was einmal ausgefallen ist, wächst nie wieder an. Deshalb dienen die verbliebenen Beißwerkzeuge als Halterungen für die neuen. Man befestigt sie miteinander durch Drahtschlingen, durch Spangen, durch Klammern, aber, um die Wahrheit zu sagen, alle diese Apparaturen lockern sich früher oder später und müssen stets erneuert werden. Will man sich das Ganze ersparen, gibt man sich zufrieden mit dem, was man noch hat.«
    Freyja nickte. »So wie du.«
    »So wie ich.« Lapidius machte wieder die schauerlich-komische Grimasse, die sie schon kannte.
    Abermals lachte Freyja. »Dann will ich auch keine falschen Zähne.«
    »Schön. Willst du wenigstens ein bisschen Brühe? Sie ist allerdings schon ziemlich kalt.«
    »Ja, gern.«
    Lapidius gab ihr welche. Und alsbald schlummerte sie wieder ein. Er blieb noch eine Weile neben ihr sitzen und ging dann nach unten.
    »Deinen Zahn hebe ich trotzdem auf«, sagte er.
    Lapidius drückte das Petschaft mit seinem Siegel auf den zusammengefalteten Brief, steckte ihn in eine durable Leinentasche mit der Anschrift der italienischen Glasmanufaktur, versiegelte auch die Tasche, knüpfte einen starken Faden darum, prüfte noch einmal dessen Sitz und schritt endlich zur Haustür, wo sein Mantel schon am Haken auf ihn wartete. Gerade wollte er das Kleidungsstück überwerfen, da trat die Magd aus der Küche.
    »Essen is fertich, Herr. Hab noch tüchtich Pfeffer ins Süppchen getan, frisch gemörsert, so wie Ihrs gern habt.«
    Lapidius verwünschte seine Langsamkeit. Hätte er sich nur ein wenig mehr beeilt, wäre er schon aus der Tür gewesen. »Danke, Marthe, ich esse später. Ich muss vorher noch schnell etwas erledigen.«
    Der Mund der Magd öffnete und schloss sich in raschem Wechsel. Vor Empörung fehlten ihr die Worte. »Herr! Wassoll das nu wieder? Ich tu, ich mach, ich sorg für Euch, un Ihr esst nie mein Essen nich. Kannsja gleich ausm Fenster kippen, wenn Ihrs nich wollt! Ich sach Euch: Nie wieder koch ich für Euch, nie nich, un wenn Ihr mich auf Knien anflehn tut!«
    »Ja, ja, schon recht.« In der Hoffnung, dass die Magd ihm nicht allzu lange gram sein würde, machte Lapidius sich aus dem Staub. Draußen schlug ihm der altbekannte Gestank aus Urin und Abfällen entgegen, denn in der Nacht hatte Tauwetter eingesetzt. Die Sonne schien, die Vögel sangen, und ein warmer Frühlingswind wehte von den Bergen herab. Lapidius versuchte, flach zu atmen, stapfte vorbei an Müll und Schneeresten und erreichte alsbald den Gemswieser Markt, von wo aus an diesem Tag die Postkutsche über Innsbruck ins Norditalienische fuhr. Nach einigem Herumfragen hatte er den Fahrer ausfindig gemacht, der sich im Querschlag bei einem Bier für die gefährliche Reise stärkte. Lapidius übergab die Leinentasche, schärfte dem Mann ein, sie wie seinen Augapfel zu hüten, und entrichtete die Beförderungsgebühr.
    Als er wieder auf dem Marktplatz stand, war ihm wohler, denn j etzt konnte er sich um den Hinkenden kümmern, j enen Burschen, dessen Fußabdrücke er am gestrigen Tag vor der Sabbathöhle entdeckt hatte. Am nahe liegendsten, überlegte er, war es, einfach im Rathaus nachzufragen, doch er entschied sich dagegen. Der Gedanke an Meckel, den Unverschämten, und die voreingenommenen Stadträte, denen er womöglich bei dieser Gelegenheit begegnen würde, hielt ihn davon

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