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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Experimentiertisch auf und eilte in die Küche, kam kurz darauf mit dem Kompassgehäuse in der Hand zurück und setzte sich, heftig nach Atem ringend. Er durfte sich nicht so erregen. Ruhig musste er bleiben, ruhig!
    Er langte unter den Tisch und holte Taufliebs Bohrer hervor. Dann wollte er das Gehäuse öffnen, unterließ es aber, denn ihm war eingefallen, dass er noch ein Schutztuch für Mund und Nase brauchte.
    Er musste seine Gedanken besser beieinander halten! Er holte das Tuch und nahm wieder Platz.
    Und abermals sprang er auf. Er hatte die Lupe vergessen.
    Endlich konnte er anfangen. Das Licht würde ausreichen. Er band sich das Tuch vor, hielt die Luft an und öffnete den Kasten.
    Der Kopf sah grauenvoll aus.
    Trotz der Kühle in der Grube wies er deutliche Verwesungsspuren auf. Lapidius nahm sich zusammen und konzentrierte sich nur auf die Löcher in der Stirn. Er griff zur Lupe und hielt sie darüber. Zu wenig Licht! Er drehte den Kasten so, dass mehr Helligkeit auf den Schädel fiel. Sein Herz klopfte. Wieder hielt er die Lupe über die Bohrung. Jetzt sah er besser. Die Hirnhaut war am Rand verletzt, aber das allein besagte nicht viel. Nochmals erhob er sich und holte einen kleinen Spatel und eine Pinzette. »Jetzt müsste man drei Hände haben«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Eine Hand für die Lupe, die beiden anderen für die Instrumente.«
    Lapidius kam ins Schwitzen. Er glaubte zwischen Dura mater und Bohrlochrand etwas entdeckt zu haben. Jetzt brauchte er die Lupe nicht mehr. Mit dem Spatel drückte er die Hirnhaut nach unten, während er mit der Pinzette unter dem Lochrand fischte. Nach einigem Hin und Her schien es ihm genug. Er tat den Spatel fort und ergriff wieder die Lupe. Sie war von starker, konvexer Beschaffenheit, und sie vergrößerte um ein Mehrfaches.
    Und sie zeigte Lapidius genau das, was er erhofft hatte.
    An der Spitze der Pinzette saßen winzige Knochenspuren, so fein wie feinstes Mehl – Bohrabfall, der gänzlich anders beschaffen war als der durch einen Stangenbohrer verursachte. »Knochenmehl«, murmelte Lapidius. »Knochenmehl. Das heißt, Ihr wart es nicht, Tauflieb, denn Euer Werkzeug würde Späne produzieren. Wieso habe ich nicht gleich daran gedacht? In der Tat, ich muss Euch Abbitte tun, Tauflieb, Ihr wart es wirklich nicht. Ich weiß jetzt, wer hinter alledem steckt. Ja, das weiß ich. Auf einmal fügt alles sich logisch zusammen.«
    Da er ganz sichergehen wollte, nahm er den Bohrer zur Hand und schabte mit der Schnittkante am Lochrand entlang – ein kleiner Span löste sich ab. Er hatte Recht gehabt!
    Zufrieden klappte er den Deckel des Kompassgehäuses wieder zu und riss sich das Tuch vom Gesicht. »Wie gut, dass wir heute den 30. Aprilis schreiben und damit kommende Nacht Walpurgisnacht ist. Wäre dem nicht so, würde ich die Teufel vielleicht niemals auf frischer Tat ertappen können.«
    Er nahm den Kasten, um ihn samt Inhalt ein letztes Mal in der Vorratsgrube zu verstecken. Der Kopf würde als Beweis gebraucht werden. Erst, wenn er diesen Zweck erfüllt hatte, durfte er seine letzte Ruhe finden. Lapidius nahm sich vor, dafür zu sorgen, dass beides, Kopf und Rumpf, zusammen beerdigt würde. Vielleicht neben Gunda Löbesam, der Leidensgefährtin der unbekannten Toten. Bestimmt aber mit ein paar erbaulichen Worten von Pfarrer Vierbusch. »Lapidius?«
    Das war Freyja, die von oben rief. »Ja, Freyja? Warte, ich komme hinauf, bin sowieso hier unten fertig.« Lapidius kletterte in den Oberstock.
    »Hast du was rausgefunden?«
    Er blickte sie durch die Öffnung in der Türklappe an. In ihren Augen lag Neugier. Er freute sich, das zu sehen, denn alles, was sie von der Krankheit ablenkte, war gut für sie. »Ja, das habe ich.«
    »Ja? Was?«
    »Ich weiß j etzt, wer der Drahtzieher hinter den Morden ist. Er ist ein Teufel in Menschengestalt. Er und seine beiden Helfershelfer.«
    »Wie heißen die Männer? Kenn ich sie?«
    »Ich werde dir ihre Namen nicht sagen, denn ich möchte nicht, dass du dich aufregst. Aber ich verspreche dir, dass ich die Teufel zur Strecke bringen werde. Sie werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen.«
    »Pass auf dich auf.«
    »Das werde ich. Ich gehe nachher hinüber zu Meister Tauflieb und versichere mich seiner Hilfe. Tauflieb ist kein Teufel. Tagelang habe ich ihn im Verdacht gehabt, es zu sein, doch vorhin sind alle meine früheren Überlegungen wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.«
    »Ach.«
    »Morgen ist der zwanzigste Tag

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