Die Hitzkammer
der Behandlung. So lange musst du noch tapfer sein.«
»Du gehst noch mal weg?«
»Ja, aber du brauchst keine Angst zu haben. Die Teufel werden nicht hierher kommen. Sie sind ganz woanders. Ich werde sie dort aufspüren.«
»Allein?«
»Allein. Ja. Ich muss es ganz allein machen.« Lapidius steckte seine Hand durch die Öffnung und strich ihr sacht über den kahlen Kopf. »Ich bin in der Nacht zurück. Brauchst du noch etwas?«
»Bleib. Bitte. Ich … ich hab noch Hunger.«
»Aber du hast doch schon deine Brühe bekommen?« Lapidius wunderte sich. Noch nie hatte Freyja nach Essbarem verlangt, nur immer nach Flüssigem. Und j etzt plötzlich hatte sie Appetit. Andererseits, wenn man daran dachte, wie ausgezehrt sie vor ihm auf der Truhe gelegen hatte, war der Wunsch nach Nahrung durchaus verständlich. Überdies ging die Kur am morgigen Tag zu Ende, und es würde nicht schaden, ihren Magen auf feste Kost vorzubereiten. Nur etwas Leichtes musste es sein. »Gut, ich will sehen, was sich machen lässt.«
Er stieg hinab in die Küche und schaute sich in Marthes Schränken und Schubladen nach etwas Passendem um, aber alles, was er fand, waren zwei einsame Äpfel vom vergangenen Jahr. Die Magd hatte sie kühl und abgedunkelt gelagert, weshalb sie noch einen recht guten Eindruck machten. Lapidius schälte und zerteilte sie und brachte sie in einer Schale nach oben. »Hier, ein paar Apfelstücke. Genau das Richtige für dich.«
»Du musst sie mir geben … in den Mund.«
Mit einem stillen Seufzer sperrte Lapidius die Türklappe wieder auf, damit er Freyja besser füttern konnte. Er hatte das Gefühl, dass sie es darauf anlegte, ihn zurückzuhalten. Wie sich alsbald zeigte, erwies sich sein Gefühl als richtig. Freyj a war redselig wie selten und das, obwohl das Sprechen ihr viel Mühe bereitete. Lapidius wurde die Zeit lang; es fiel ihm zunehmend schwer, auf sie einzugehen, denn in Gedanken war er schon ganz woanders. Schließlich erhob er sich, die Schale mit den übrig gebliebenen Apfelstückchen beiseite stellend. »Ich muss jetzt wirklich gehen.«
Sie griff nach seiner Hand. »Nein. Ich … ich … pass auf dich auf.«
»Ich verspreche es. Heute Nacht bin ich zurück.«
»Zieh was Warmes an.«
»Ja. Natürlich.« Er streichelte sie noch einmal und sperrte das Schloss ab. »Du redest schon wie Marthe.«
Ja, sie redet schon wie Marthe, dachte er, während er nach unten stieg, und trotzdem ist es irgendwie anders.
»Seid Ihr da, Meister?« Lapidius klopfte zum wiederholten Mal an die Tür zur Werkstatt. »He, Meister?« Nach einer Weile näherten sich Schritte. Tauflieb öffnete und staunte nicht wenig, als er sah, wer da vor ihm stand. »Ihr seid der Letzte, den ich erwartet hätte.«
»Ich muss Euch sprechen.«
»Soso. Müsst Ihr das? Und was ist, wenn ich keinen Wert darauf lege?«
»Es ist wichtig.«
»Hm, nun meinetwegen, kommt rein. Aber nur kurz.«
Lapidius’ Anliegen j edoch schien wirklich wichtig zu sein, denn Tauflieb trat erst nach einer guten Stunde wieder vor die Tür, sich per Handschlag von seinem Besucher verabschiedend. »Viel Glück«, sagte er, »und seid vorsichtig!« Ganz im Gegensatz zu sonst wirkte sein Gesicht dabei fast freundlich.
»Danke«, erwiderte Lapidius knapp. Er schritt die Böttgergasse hinab bis zum Kreuzhof und gelangte von dort zum Gemswieser Markt. Hier betrat er den Querschlag, in dem zu dieser Stunde wenig Betrieb herrschte. Lapidius nahm an einem freien Tisch Platz und fragte den herbeieilenden Wirt nach seiner Fleischsuppe. Er hatte an diesem Tag noch nichts gegessen, und es war wichtig, sich für die kommenden Stunden zu stärken.
Pankraz strahlte und meinte: »Ich habe noch eine gute Portion übrig und will sie Euch gerne bringen, Herr! Wollt Ihr auch Einpöckisches Bier dazu haben wie beim letzten Mal?«
»Nein, danke«, gab Lapidius zurück. Für das, was er vorhatte, brauchte er einen klaren Kopf.
»Wollt Ihr nicht wenigstens den Mantel ablegen, Herr?« »Nein.«
Pankraz eilte davon und brachte die Suppe. »Lassts Euch schmecken, Herr. Wenns nicht langt, ein kleiner Rest wär noch da.«
»Nein, danke.« Lapidius wünschte jetzt, in Ruhe gelassen zu werden, und Pankraz schien das, wie alle guten Wirte, zu spüren. Er entfernte sich.
Während Lapidius die Suppe löffelte, wanderte sein Blick durch den Schankraum. Täuschte er sich, oder saß dahinten nicht Krabiehl? Jetzt drehte der Mann ihm den Kopf zu, und Lapidius sah, dass seine Vermutung richtig
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