Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Stellungnahme der hohen Goslarer Juristenherren ausfiel. Sie würde frei sein. Und Marthe würde ebenfalls wieder auftauchen, davon war er überzeugt.
    Freyja bewegte sich in seinen Armen. »Was … ist?«
    »Nichts, nichts.« Er wollte ihr nicht sagen, wie nah er sich seinem Ziel glaubte, denn noch konnte sich alles als Luftblase erweisen. »Ich lege dich jetzt in die Hitzkammer zurück.«
    »Kann ich nicht bei dir bleiben?«
    Wie gern hätte er jetzt ja gesagt. Aber die vorgeschriebene Behandlungszeit musste eisern eingehalten werden. »Nein, es geht nicht. Du weißt es selbst. Aber es ist ja nicht mehr für lange. So, ich schiebe dich zurück in die Kammer, j a, so …« Sich aufrichtend, fuhr er fort: »Ich pudere dir nachher die Geschwüre um den Mund ein. Erst muss ich noch einmal hinunter, mir die Hände waschen, den Athanor versorgen und das Haus sichern.«
    Geraume Zeit später war er wieder da, einen Weidenrindentrank, Kalkpulver und das Öllämpchen mit sich führend. Freyja blickte ihm mit großen Augen entgegen. Erleichtert sah er, dass kein Schmerz darin stand. Der Rest des Laudanums wirkte lange. Aber er wusste, dass die unsägliche Pein sich noch vor Beendigung der Kur zurückmelden würde. Er wollte nicht, dass sie in den letzten Tagen noch litt, und flößte ihr vorsorgend den Trank ein. Dann puderte er behutsam ihre Lippen.
    »Danke.«
    »Du konntest vorhin nicht bei mir bleiben, deshalb machen wir es umgekehrt: Ich werde heute Nacht bei dir bleiben.«
    »Wie?«
    »Warts ab.« Er ging wieder hinunter, rumorte in seinem Laboratorium und trug dann ächzend seinen schweren Lieblingsstuhl die Treppe empor. Ihn vor der Türklappe absetzend, schnaufte er: »Das ist unter anderem mein Schlafstuhl. Es schlummert sich recht bequem darin, wenn man erst einmal die richtige Lage gefunden hat.«
    »Gute Nacht«, flüsterte sie, und die Art, wie sie es sagte, brachte ihn schon wieder in Verlegenheit.
    »Gute Nacht.« Er sperrte die Türklappe zu, setzte sich und streckte die langen Beine aus. »Versuche jetzt zu schlafen. Das Öllämpchen lasse ich brennen.«
    »Ja.«
    Müde schloss er die Augen.
    In der morgigen Nacht würde sich alles entscheiden.

NEUNZEHNTER
BEHANDLUNGSTAG
    Lapidius’ erster Blick an diesem Morgen galt dem Wetter. Er stand am Fenster, das zur Böttgergasse hinausging, öffnete es und streckte den Kopf weit nach draußen. Kein Wölkchen stand am Himmel. »Gott sei Dank«, murmelte er. Der Tag, was auch immer er bringen würde, ließ sich gut an. »Freyja, es ist herrliches Wetter! Wie fühlst du dich?«
    »Es … es geht.« Freyja spürte, wie das Zittern sie wieder durchlief, auch die Glieder schmerzten, als risse jemand daran. Die Wirkung des Laudanums war verflogen, und der Weidenrindentrank, von Lapidius am gestrigen Abend verabreicht, musste nun seine Qualitäten beweisen. Aber er war nicht annähernd so hilfreich.
    »Ich laufe rasch hinunter und hole dir Wasser und Brühe. Brauchst du sonst noch irgendetwas? Ich meine, äh … zum Wegmachen?«
    »Nein.« Freyja war froh, in dieser Nacht von Koliken verschont geblieben zu sein. Noch schwerer als die mit ihnen einhergehenden Schmerzen ließ sich unter ihrem Ansturm der Darmausgang beherrschen. »Nein, nein.«
    »Schön. Ich bin gleich wieder da.«
    Unten in Marthes Reich stellte er fest, dass die Flammen im Herdfeuer erloschen waren. Deshalb setzte er die Brühe auf den Athanor. Die Erwärmung würde eine Weile dauern. Ob er die Zeit nutzen sollte und den Kopf schon einmal aus der Kühlgrube hervorholte? Nein, das konnte warten. Erst musste Freyj a versorgt werden. Als die Flüssigkeit den richtigen Grad erreicht hatte, er entsprach der Mistwärme, brachte er sie nach oben, schloss die Türklappe auf und gab sie seiner Patientin. Anschließend flößte er ihr einen Becher Wasser ein. »Brauchst du sonst noch etwas?«
    »Nein. Danke.«
    »Deine Stimme klingt so schwach?«
    »Es ist … nichts. Mir gehts gut.«
    Lapidius schielte schon mit einem Auge die Treppe hinab. »Nun, dann sperre ich jetzt zu und lasse dich allein. Keine Angst, ich bleibe im Haus. Aber ich muss etwas untersuchen. Von dem Ergebnis hängt viel ab, sehr viel.«
    »Ja.«
    Lapidius hörte die Enttäuschung in Freyj as Stimme, war aber schon dabei, seinen Lieblingsstuhl wieder hinunterzutragen. Jetzt, wo die Aufklärung der Mordfälle in ihr entscheidendes Stadium rückte, schien ihm seine gestrige Lösung bei weitem nicht mehr so überzeugend. Er baute den Stuhl vor dem

Weitere Kostenlose Bücher