Die Hitzkammer
gewesen war. Der Büttel verzog das Gesicht, als er Lapidius erkannte, widmete sich dann aber wieder seiner Kanne Bier. Der faule Lorbass! Er hatte nicht das Mindeste zur Aufklärung der Mordfälle beigetragen, im Gegenteil: Er hatte ihm nur Knüppel zwischen die Beine geworfen. Immerhin, der Umstand, dass Krabiehl hier saß, sprach dafür, dass er nicht zu den Filii Satani gehörte. Genauso wenig wie Tauflieb.
Lapidius hatte dem Schlossermeister nichts von seinen Erkenntnissen mitgeteilt. Das Einzige, was er ihm gesagt hatte, war, dass er als Teufel und Mörder nicht mehr in Frage käme. Dann hatte Lapidius den Bohrer zurückgegeben und sich für seine falschen Verdächtigungen entschuldigt. Darüber war der Meister bass erstaunt gewesen – und nicht wenig erleichtert. Sie waren ins Gespräch gekommen, hatten über dieses und jenes geplaudert und insgeheim festgestellt, dass sie einander doch nicht so übel fanden. Zum Schluss hatte Lapidius noch eine Bitte geäußert, und Tauflieb war dieser – nach anfänglichem Zögern – nachgekommen.
Lapidius beendete seine Mahlzeit und zahlte. Wenn er sich jetzt auf den Weg machte, so vermutete er, würde er bei Dunkelwerden an seinem Ziel sein.
Der Sabbathöhle.
Als Lapidius sich dem Otternberg näherte, war die Nacht schon hereingebrochen. Er hatte länger gebraucht als gedacht. Vor ihm tauchte der massige, kugelförmige Fels auf, mehr erahnbar als sichtbar. Lapidius wollte ihn umrunden und stolperte. Er war gegen etwas gelaufen. Etwas Helles. Er betastete den Gegenstand und erschrak. Was da vor ihm lag, war der große Obstpflückerkorb. Das Ungetüm musste aus Taufliebs Werkstatt sein, denn dort war es verschwunden. Lapidius hatte das Fehlen schon beim Eintreten bemerkt und zunächst auch danach fragen wollen, dann aber, in Anbetracht des angenehmen Gesprächs, kein Wort darüber verloren. Ebenso wenig wie über Gorms Abwesenheit. Hatte der Hilfsmann den Korb hier hinaufgeschafft? Wenn ja, blieb die Frage, warum. Eines jedenfalls war klar: Sollte Gorm in der Höhle sein, hatte er das Flechtwerk nicht mitnehmen können. Dafür war der Eingang zu klein.
Lapidius stieß den Korb zur Seite und gelangte zur Hinterseite des massigen Steins. Es war jetzt stockfinster. Er war froh, die Schrittzahl bis zum Höhleneingang zu wissen, denn so konnte er sicher sein, die Öffnung nicht zu verpassen.
Kurz darauf befand er sich im Berg und förderte unter seinem Mantel eine Laterne hervor. Sie war heller als das bisher verwendete Öllämpchen und vor allem standfester. Lapidius entzündete sie und ging tiefer in die Höhle hinein. Wieder und wieder hatte er sich den Weg bis zum Dom in Erinnerung gerufen, und das zahlte sich j etzt aus. Ohne zu zögern, drang er vor, alle Sinne aufs Äußerste gespannt. Als es nur noch fünfzehn oder zwanzig Schritte bis zur großen Felsenhalle waren, machte er Halt, setzte die Lampe am Boden ab und ging vorsichtig weiter. Alsbald umgab ihn Finsternis.
Doch es war nicht vollständig dunkel. Feine Lichtschatten tanzten an den Gangwänden vor ihm. Der Schein eines Feuers! Jemand musste es im Dom entfacht haben. Er war also nicht allein in der Höhle; die Teufel mussten vor ihm gekommen sein. Gut so. Das hatte er gehofft. Zoll für Zoll tastete Lapidius sich voran, bis zu dem Punkt, wo der Gang in die Halle mündete. Er trat einen Schritt zurück, denn er wollte keinesfalls entdeckt werden. Nicht, bevor er selbst sich zu erkennen gab.
Aber seine Vorsicht war unbegründet. Der Dom war menschenleer. Nur zwei Holzfeuer knisterten am Boden. Das eine befand sich links bei den Stalagmiten, das andere gegenüber vor den zwei toten Gängen. Es waren Feuer, die von kundiger Hand entfacht sein mussten, denn sie waren so angelegt, dass sie mit wenig Material lange brannten. Das sah Lapidius. Und er sah noch mehr: Die Stricke, die er beim letzten Mal entdeckt hatte, lagen jetzt neben den Tropfsteinbuckeln. Er selbst hatte ebenfalls Hanfseile dabei, die er nun aber forttat. Alles, was er nicht tragen musste, kam seinen Absichten entgegen.
Er wartete. Die Glut in den Feuern leuchtete matt. Nichts geschah. Ob die Teufel doch nicht anwesend waren? Nein, sie mussten da sein. Wahrscheinlich hielten sie sich in einem der toten Gänge auf. Was sie dort wohl trieben?
Lapidius begannen die Beine zu schmerzen. Er hatte noch nie lange stehen können. Er ging ein paar Schritte zurück und trat von einem Fuß auf den anderen, um das Blut in seinen Adern wieder in Fluss zu
Weitere Kostenlose Bücher