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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gegeben. Jetzt gehts besser.«
    »Gut!« Er freute sich ehrlich. »Dann ist es wieder auszuhalten, nicht wahr?«
    Sie gab keine Antwort.
    Er nahm das als Bestätigung und fuhr fort: »Sieh mal, heute Morgen, als du die furchtbaren Schmerzen hattest, wärst du sicher am liebsten aus der Hitzkammer gestiegen, aber du konntest es nicht, weil sie abgeschlossen war. Wäre sie es nicht gewesen, hättest du die Kur abgebrochen und damit den Heilerfolg zunichte gemacht. Jetzt, wo du es nicht getan hast, bist du doch froh darüber, stimmts?«
    »Kann ich noch Wasser haben?«
    »Nein, du hast schon welches gehabt. Ich werde dir eine Brühe holen, vielleicht mit etwas Fasanenfleisch drin.« Er ging hinunter zu Marthe und ließ sich einen Becher geben. Die Brühe war sehr heiß. Heftig hineinpustend stieg er wieder in den Oberstock, wo er das Gefäß auf dem Boden absetzte. Er schloss die Türklappe auf, damit Freyja besser trinken konnte. »Die Kunst bei einer Schmierbehandlung«, sagte er, »besteht darin, dem Patienten nur so viel Wasser zu geben, wie er wieder ausschwitzen kann. Und am besten keine feste Nahrung, damit er nicht zu Stuhle muss. Andererseits ist feste Nahrung vonnöten, damit der Kranke nicht vollends vom Fleische fällt. Eine Brühe ist deshalb der goldene Mittelweg.«
    Sie trank weiter in kleinen Schlucken, bis der Becher leer war. Lapidius nahm ihn ihr ab und sperrte die Türklappe wieder zu.
    »Lasst offen.« »Nein, es würde zu viel Hitze entweichen.« Beim Abschließen hatte er einen flüchtigen Blick auf ihren Körper geworfen und festgestellt, dass die Quecksilberschmiere nahezu vollständig in die Haut eingezogen war. »Ich werde Marthe anweisen, dich zu säubern und neu einzureiben. Außerdem bekommst du einen Aufguss von Lindenblüten zum Schweißbilden.«
    »Wenns sein muss.«
    »Hör mal.« Er setzte sich ächzend auf den blanken Boden und stand sogleich wieder auf. »Warte, ich schiebe die Truhe vor die Türklappe.« Als er auf dem Möbelstück saß, hob er abermals an: »Ich muss noch einmal mit dir über die Koechlin und die Drusweiler sprechen. Ich war bei ihnen zu Hause und habe sie eingehend befragt. Alles spricht dafür, dass die Anschuldigungen der beiden völlig aus der Luft gegriffen sind. Was mir j edoch am meisten zu denken gibt, ist, dass sie bei dir am Wagen Kräuter kaufen wollten.«
    »Das tun viele.«
    »Sicher, aber die Koechlin und die Drusweiler haben einen eigenen Kräutergarten, warum also sollten sie zu dir gehen?«
    »Weiß nicht.«
    »Kannst du dich erinnern, was sie kaufen wollten?«
    Sie winkelte einen Ellenbogen an und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Dann sprach sie leise: »Nein. Aber ich wüssts, wenns was Besonderes war.«
    »Was hattest du denn auf dem Wagen?« Lapidius sah ihre Erschöpfung, aber er musste jetzt weiterfragen.
    »Das Übliche. Rosmarin, Thymian, Bärlauch, Liebstöckel und so was. Ach ja, Bilsenkraut, das haben sie gekauft, jetzt weiß ichs wieder.«
    »Wächst Bilsenkraut in einem normalen Kräutergarten?« Lapidius dachte an die berauschende Wirkung dieser Pflanze.
    »Vielleicht, vielleicht nicht.«
    »Ist dir sonst noch etwas an den beiden aufgefallen? Ich meine außer der Zankerei, die sie vom Zaune gebrochen haben?« »Nein … oder doch. Sie waren bis zuletzt da, und ich hab mich drüber gewundert.«
    »Aha. Erinnerst du dich, was sie zu dir gesagt haben? Jedes Wort kann wichtig sein.«
    »Nichts Wichtiges. Ich hab gesagt, ich muss los, weils schon spät war, und dann, glaub ich, hat die Drusweiler noch gefragt, ob ich die Nacht nicht bei ihnen auf dem Hof bleiben will. Zuckersüß war die.«
    »Und was hast du geantwortet?«
    »Dass ich lieber vor der Stadt schlaf, unterm Wagen, weil ichs immer tu. Ist billiger und ruhiger.«
    Lapidius erhob sich. »Nun gut. Ich fürchte, das alles bringt uns nicht viel weiter. Trotzdem danke ich dir. Marthe schaut gleich vorbei. Versuche, bis dahin ein wenig zu schlafen.« Er spähte durch die Türöffnung und erkannte, dass sie bereits die Augen geschlossen hatte.
    Im Zwielicht sah sie aus wie ein uraltes Kind.
    Die Glaskugel, mit der Lapidius den kleinen Alambic ersetzen wollte, hatte sich als unbrauchbar erwiesen. Er stand vor seinem Experimentiertisch und unterdrückte einen Fluch. So kam er mit der Variatio VI nicht weiter. Die Kugel konnte keinen Destillierkolben ersetzen, und er selbst war mit seinen Gedanken nicht bei der Sache. Immer wieder ging ihm durch den Kopf, was Freyja über die

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