Die Hitzkammer
tuschelten, dennoch konnte er einige Wortfetzen verstehen:
»… das ist doch der, der mit der Säckler was hat …«
»Säckler?« »… ja, Freyja Säckler, die Hexe!«
»Und mit der hat er …«
»Ja, unter einem Dach!«
»FREYJA SÄCKLER! «
Eines der Weiber hatte den Namen herausgeschrien. »Ich sag euch, die Hexe wars!«, rief sie wichtigtuerisch. »F und S heißt Freyja Säckler! Sie hat die Frau hingemacht!«
Eine andere fiel ein: »So muss es sein. Ne Drohung ists. Ne Drohung an uns alle. Hütet euch, die Hex geht um!«
Lapidius sah, wie der Büttel große Augen bekam. »Ich höre, die Säckler wohnt unter Eurem Dach?« Seine Züge verrieten, dass er den Mann, der die Hexe beherbergte, am liebsten auf der Stelle verhaftet hätte. Doch Lapidius’ Stand hinderte ihn offenbar daran.
Die Frauen hatten weniger Hemmungen. Gemeinsam fühlten sie sich stark. Sie nahmen eine drohende Haltung ein, und Rufe wie »Warum nimmst du ihn nicht gleich mit, Krabiehl?«, und »Los, pack ihn beim Schlafittchen!«, wurden laut.
Lapidius wich zurück. Was redeten die Weiber da? Konnten sie so dumm sein und wirklich glauben, was sie da geschrien hatten? Ihm blieb keine Zeit, über diese Fragen nachzudenken, denn die Frauen gingen jetzt mit Besen und Stangen auf ihn los, und da der Büttel keinerlei Anstalten machte, sie zurückzuhalten, suchte er rasch das Weite. Es wäre töricht gewesen, den Helden spielen zu wollen.
Lapidius lief nach Hause, so schnell ihn seine Beine trugen. Als er endlich, nach Luft ringend, wieder vor seiner Eingangstür ankam, stellte er erleichtert fest, dass niemand ihm gefolgt war – die Weiber hatten ihre Verkaufsstände wohl nicht unbewacht zurücklassen wollen. Er ging geradewegs ins Laboratorium und ließ sich erschöpft auf seinen Lieblingsstuhl fallen. Jählings verspürte er gewaltigen Hunger. »Marthe!«, rief er, »Marthe, was hast du auf dem Feuer?«
Die Küchentür öffnete sich einen Spalt. Die Magd steckte den Kopf hindurch. »Seid Ihrs, Herr?«
»Wer sonst?« Lapidius rückte auf dem Tisch einige Glasgefäße zur Seite. »Bring mir etwas zu essen.« »Gern, Herr. Hab Euer Leibgericht gemacht, gefüllte Eierkuchen, mit Pfeffer un Fasanenklein. Wartet, die Speise steht warm …« Sie eilte zurück in ihre Küche, und Lapidius konnte durch die offen stehende Tür sehen, wie sie dem Stollenschrank einen großen Teller entnahm und eine gehörige Portion auftat. »Ihr seid mir nich mehr gram, nich, Herr?«, fragte sie, als sie die Mahlzeit wenig später auf dem Experimentiertisch absetzte – diesmal mit äußerster Vorsicht.
»Nein, nein.« Lapidius lief das Wasser im Munde zusammen. »Wie geht es Freyja?«, wollte er wissen, während er den ersten Bissen nahm. »Hast du nach dem Feuer im Athanor gesehen? Gibt es sonst etwas Neues?«
»Hab alles gemacht, Herr. Was Neues gibts nich, nur dasses Freyja vorhin ziemlich mies ging. Hab ihr was zu trinken gegeben. Durche Klappe durch.«
»Schön.« Lapidius aß weiter. Am Morgen hatte er es versäumt, nach Freyj a zu sehen, weshalb ihn j etzt das schlechte Gewissen plagte. Er ertappte sich dabei, nach oben laufen zu wollen, aber das Essen hielt ihn davon ab. Er entschloss sich zu einem Versuch. Den Kopf in Richtung Sprechschacht gewandt, rief er: »Freyj a? Freyj a, ich hoffe, es geht dir wieder besser?«
Er erhielt keine Antwort.
Wahrscheinlich musste man den Mund direkt an der Schachtöffnung haben, um gut verstanden zu werden. Doch mit seiner Ruhe war es vorbei. Er schlang die restliche Speise hinunter, ließ Marthe abräumen und sprang die Treppe zu seiner Patientin hoch. Im Oberstock roch es stark nach Exkrementen. Lapidius rümpfte die Nase. Nichts Gutes ahnend, wiederholte er seine Frage: »Ich hoffe, es geht dir wieder besser?«
Sie blickte ihn durch die Türöffnung an. Das Tageslicht fiel auf ihr Gesicht, und er sah die Erschöpfung darin. Ihre vitriolfarbenen Augen waren trüb, die Farbe ihrer Haut glich altem Brot. »Ich hab Euch schon gehört«, sagte sie matt, aber dann brach es aus ihr heraus: »Ihr habt gestern die Tür abgesperrt.« Lapidius ging nicht darauf ein. »Welche Beschwerden hattest du heute Morgen?«
»Ich … nichts.«
»Du musst es mir sagen.«
»Krämpfe hatt ich, furchtbare Krämpfe im Leib, und dann, und dann … hab ich mich beschmutzt.«
Er nickte verständnisvoll. »Das ist das Quecksilber, es verursacht Koliken. Ich werde Marthe rufen, damit sie dich sauber macht.«
»Ja. Sie hat mir Wasser
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