Die Hitzkammer
und sie sich selbst als Dämonin entlarvt. Oder ist jemand der Meinung, sie wäre keine Hexe?« Ohne die Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Anschließend soll sie brennen, und der Fall ist erledigt.«
Stalmann schüttelte den Kopf. Er war zu einer Entscheidung gekommen. »Nein, ganz so einfach ist es nicht. Ihr wisst selbst, Stadtrat Leberecht, dass ein Geständnis letztlich nur vom Druck der Daumenschrauben abhängt. Ich fühle mich dem Recht verpflichtet, auch wenn die Unterbrechung des Prozesses zum Problem geworden ist. Ich gebe zu, bevor der Magister seine Argumente vortrug, war ich dafür, die Verhandlung fortzusetzen, aber jetzt bin ich anderer Meinung. Ich denke ebenfalls, dass in ein paar Tagen Gras über die Sache gewachsen ist. Alles mag zunächst so weiterlaufen. Kommt Zeit, kommt Rat.«
Bevor dem Bürgermeister widersprochen werden konnte, fragte Lapidius schnell: »Wisst Ihr, wo die Tote sich jetzt befindet?«
»Nein.« Stalmann blickte in die Runde seiner Räte. »Oder ist einem von Euch der Ort bekannt? Auch nicht? Nun, Magister Lapidius, dann wendet Euch an Krabiehl.«
»Danke, Herr Bürgermeister.« Lapidius wollte die Unterredung so schnell wie möglich beenden. »Wenn die Herren gestatten, empfehle ich mich jetzt.«
»Tut das.« Stalmann nickte, während er einen seiner Ringe anhauchte und den Edelstein am Ärmel blank rieb. »Aber ich bestehe darauf, dass Ihr jedes unvorhergesehene, äh … Ereignis unverzüglich Richter Meckel zur Meldung bringt.«
»Gewiss werde ich das.« Lapidius deutete eine Verbeugung an. »Meine Herren …«
Dann verließ er rasch den Raum.
Als er gegangen war, lehnte Stalmann sich zurück. »Ich weiß, Stadtrat Leberecht, was Ihr sagen wollt. Ihr seid mit meiner Entscheidung nicht einverstanden. Aber glaubt mir, fürs Erste ist es am besten so. Alles Weitere findet sich.«
»So, meint Ihr.« Leberecht lächelte gequält. »Habt Ihr Euch eigentlich schon gefragt, warum der Herr Magister den barmherzigen Samariter bei der Säckler spielt? Das muss doch einen Grund haben. Und ist es nicht seltsam, dass er ein so starkes Interesse an der Toten hat, wo er sie doch gar nicht kennt? Oder kennt er sie am Ende doch? Steckt er mit der Hexe unter einer Decke? Ist er vielleicht selbst der Mörder? Fragen über Fragen! Ich sage Euch, der Mann hat es faustdick hinter den Ohren. Wir sollten Acht geben, was er tut. Denkt an meine Worte.«
»Hoho, Leberecht, jetzt geht der Gaul aber mit Euch durch!« Stalmann wünschte das Gespräch zu beenden. Er hatte an diesem Morgen noch anderes zu erledigen und wollte rechtzeitig vor Mittag am heimischen Herd sein. »Ihr habt Euch die Antwort doch selbst schon gegeben: Der Mann ist ein barmherziger Samariter.« Er blickte Leberechts zuckendes Lid an und war überrascht, dahinter ein Auge voller Missgunst zu erkennen.
»Nein, das ist er keineswegs«, beharrte der unscheinbare Ratsherr, »ich sagte, er ›spielt‹ den barmherzigen Samariter.«
Die Dienststube des Büttels lag nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt. Zum Glück fand am Sonnabend kein Markt statt, so dass Lapidius unbehelligt über den Platz schreiten konnte. Dennoch tat er es mit gemischten Gefühlen. Nur allzu deutlich war ihm klar geworden, dass es keineswegs ausreichen würde, Freyja Säckler zu heilen – zwingender denn je musste er auch ihre Unschuld beweisen.
Krabiehl saß breitbeinig an einem wackligen Tisch, angeregt mit einer dicken Frau schwatzend, die Lapidius den Rücken zukehrte. Vor sich hatte er weißes Brot und Räucheraal ausgebreitet, Leckerbissen, denen er kräftig zusprach. Seinen Hosenbund hatte er, der größeren Bequemlichkeit wegen, geöffnet. Gerade hielt er sich ein großes Stück Aal zwischen die Beine, lachte dabei anzüglich und steckte es sich dann in den Mund. Lapidius musste daran denken, wie leichtfertig dieser Mund Freyja Säckler des Mordes und der Hexerei verdächtigt hatte, und beschloss, auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln zu verzichten. »Ich komme direkt vom Rat der Stadt«, sagte er, bewusst Krabiehls Gespräch unterbrechend und die Tageszeit nicht entbietend. »Wo ist die unbekannte Tote vom Markt?«
Der Büttel schreckte zusammen. Ein weiteres Stück Aal, schon auf dem Weg, wurde zurückgelegt. »Äh … ach, Ihr seid es, Magister.«
Die Frau, mit der Krabiehl geredet hatte, wandte sich um. Es war Auguste Koechlin. »Ich gehe dann, Krabiehl«, sagte sie, Lapidius feindselig musternd.
»Ja, tu das.« In des Büttels
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