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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nochne Kanne Bier.«
    »Nein, wenn ich sage Schluss, ist Schluss.«
    »Nu… nur no… noch eine, ne klitzekleine.«
    »Nein, verschwinde.«
    »De… denk dran, dassich dei… deiner Alten zw… hupps, zwei Wieselfelle mitge… gebracht hab.«
    Pankraz, der im Grunde seines Herzens ein gutmütiger Mann war, hatte den Finger auf Holms Brust gesetzt. »Das ist über ein halbes Jahr her, und du hast dafür schon den zehnfachen Wert in Bier gekriegt. Mindestens.«
    »Nu… nur no… nochne Ka… Kanne. Bitte.«
    »In Gottes Namen«, hatte Pankraz geseufzt, »aber es ist das letzte Mal, dass du für die Wieselfelle was kriegst, hörst du.«
    Er war zum Fass hinübergegangen und hatte eine Kanne voll gezapft. »Hier, nimm. Nein, lass dich nicht noch mal nieder. Du gehst. Wo du das Bier trinkst, ist mir egal, aber lass dich von der Nachtwache nicht erwischen, und stell mir die Kanne wieder vor die Tür.«
    »Du bi… bist mein Fr… Freund.«
    »Jaja, geh jetzt.« Mit sanfter Gewalt hatte Pankraz den alten Holm aus der Tür gedrückt.
    Vor dem Querschlag war der Alte im Sitzen eingeschlafen, die Kanne fest in der Faust und sie trotz seines Zustands bemerkenswert gerade haltend.
    Und genau so saß er auch noch einige Stunden später, als er wach wurde. Er gähnte und blickte sich um. Die Geschehnisse des vergangenen Abends fielen ihm ein, und er spürte einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. Gott sei Dank gab es die Kanne. Er nahm einen langen Zug. Schon tat das Bier seine Wirkung. Die beginnende Nüchternheit wich wieder dem angenehmen Rauschzustand. Lärm hallte herüber. Er kam von den Marktleuten, die beim Schein ihrer Laternen die Stände aufbauten.
    Wieder ein langer Zug. Holm überlegte, was zu tun sei. Er konnte hier nicht bleiben; der Büttel verfuhr streng mit Trunkenbolden, die auf der Straße herumlungerten. In den Wald zurück wollte er auch nicht, dazu fühlte er sich noch zu schwach. Da kam ihm der rettende Gedanke: Es war noch stockdunkel, und kein Mensch würde merken, wenn er seinen Rausch unter einem der Marktkarren ausschlief. Das war gut! Er rappelte sich auf und begann, die Kanne vor sich her balancierend, seinen Gedanken in die Tat umzusetzen. Am Ende des hintersten Marktganges schien ihm ein geeigneter Wagen zu stehen. Dort steuerte er hin, unbemerkt von den eifrig arbeitenden und schwatzenden Marktleuten.
    Doch als er sich niederlegen wollte, merkte er, dass dort schon jemand schlief. »Rückn Stück zur Seite, Kumpel«, brummte er, bevor er sich ebenfalls ausstreckte. »Willstn Schluck? Der olle Holm is nich so, hupps, nimm schon.« Er reichte dem Fremden die Kanne hinüber, aber der rührte sich nicht. »Bist wohl zu fein für mein, hupps, Bier, wie? Na, mir kanns egal sein.« Schwungvoll nahm er die Kanne zurück und spürte im selben Augenblick etwas Nasses am Boden. »Dammich, das gute Bier.« Er versuchte, die Flüssigkeit mit den Händen aufzunehmen und wieder in die Kanne zu schütten, doch es gelang ihm nicht. Fluchend versuchte er es erneut.
    Und dann war Holm mit einem Schlag wieder nüchtern. Denn die Flüssigkeit war Blut.
    Die Amalgamation war ein Vorgang, an dessen Ablauf noch vieles der Erforschung harrte. Lapidius hatte verschiedenes Gestein in seinem Besitz, Proben, von denen er wusste, dass sie Gold und Silber enthielten. Die Kunst war nun, beide Edelmetalle mittels Quecksilber freizusetzen, was leichter gesagt als getan war. Die Mengenverhältnisse und die Hitzkraft des Feuers spielten dabei eine große Rolle, so viel schien klar. Auch glaubte er festgestellt zu haben, dass Gold und Silber sich aus verschiedenem Gestein unterschiedlich schwer herauslösen ließen, und bedauerte an diesem Morgen einmal mehr, dass es zwar Waagen zum Messen des Gewichts gab, aber kein Gerät zum exakten Erfassen der Hitzkraft. Sicher, die Alchemie unterschied Feuergrade wie Fieberwärme, Mistwärme, Brutwärme, dazu den Grad der Mittagshitze, die Aschenwärme und das Flammenfeuer, aber keiner dieser Zustände war präzise erfassbar.
    Mitten in seine Gedanken hinein platzte Marthe mit der Frage, ob er etwas essen wolle.
    »Wie? Nein, danke. Jetzt nicht. Schläft Freyja noch?«
    »Ich nehms an, Herr. Wisst Ihr was, Herr? Hier isn Teller Grütze, den lassich Euch da. Dann könnt Ihr essen, wann Ihr wollt.« Ehe er protestieren konnte, trat sie näher und schob den Teller zwischen seine Glaskolben und Tiegel. »Lassts Euch schmecken.« Schwungvoll drehte sie sich um und wollte wieder an ihre Töpfe, da

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