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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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beiden Zeuginnen gesagt hatte. Sie hatten Bilsenkraut gekauft und waren anschließend am Stand stehen geblieben, obwohl es dafür keinen ersichtlichen Grund gab. Oder doch? Vielleicht hatten sie sich angeregt unterhalten und darüber die Zeit vergessen? Wenig wahrscheinlich. Allerdings, die Frage der Drusweiler, ob Freyja nicht auf ihrem Hof übernachten wolle, gab zu denken. Das Angebot war ungewöhnlich, besonders, wenn man wusste, welch sauertöpfisches, unfreundliches Wesen die Frau an den Tag legte.
    Lapidius nahm die Glaskugel aus der Versuchskette heraus und stellte sie fort. Er brauchte einen Alambic, besser heute als morgen. Ob er sich noch einmal auf den Weg zum Apotheker machen sollte? Er beschloss, das umgehend zu tun, auch wenn es bereits Abend war. Einen weiten Bogen um den Gemswieser Markt schlagend, klopfte er eine Weile später an das Haus des Pharmazeuten. Seine Frau öffnete, und Lapidius brachte sein Anliegen vor. Doch sie konnte ihm nicht helfen, und zu seiner großen Enttäuschung musste er unverrichteter Dinge den Heimweg antreten. Der Apotheker Veith war nicht zu Hause.
     
    FÜNFTER
BEHANDLUNGSTAG
    Zeitig am Morgen des 16. April sah man Lapidius eiligen Schrittes erneut zum Gemswieser Markt streben. Er hatte die Aufforderung erhalten, sich unverzüglich im Rathaus einzufinden. Aus welchem Grund, das hatte Krabiehl, der Überbringer der Botschaft, nicht sagen können. Oder nicht sagen wollen.
    Grübelnd, warum man ihn zu so ungewöhnlicher Stunde erwartete, betrat Lapidius das altehrwürdige Gebäude. Krabiehl empfahl sich und machte dem Stadtschreiber Platz, einem hinkenden, unscheinbaren Bücherwurm, der den Ankömmling durch mehrere Gänge geleitete und endlich vor einer schweren, eichenen Tür zum Stehen kam. Auf der Tür prangte ein üppiges Gemälde, das einen nackten, bärtigen Mann mit einem hornähnlichen Instrument darstellte. Darüber befand sich eine Inschrift: JURA NOVIT CURA.
    »Das Recht ist dem Gericht bekannt«, murmelte Lapidius, dem langsam klar wurde, dass man ihn im Gerichtszimmer erwartete. »Na, hoffen wirs.« Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, während er sich die Samtkappe zurechtrückte und eintrat. Der Raum wirkte schwer und gediegen. Holz und Schnitzereien begegneten dem Auge, wo immer es verweilte; selbst die Decke war getäfelt. Drei bleiverglaste Fenster spendeten spärliches Licht. Im Mittelpunkt stand ein langer Tisch, an dem mehrere in feines Tuch gewandete Herren saßen.
    »Ich bin Euch sehr verbunden, Magister Lapidius, dass Ihr den Weg zu uns so schnell gefunden habt.« Bürgermeister Stalmann, ein klobig gebauter Mittfünfziger mit schwammigen Gesichtszügen, machte eine einladende Geste. »Nehmt dort auf dem Stuhl Platz.« An Stalmanns Hand blitzten edelsteinbesetzte Ringe auf, die vom Wohlstand ihres Besitzers zeugten. Doch im Gegensatz zu den fein gearbeiteten Preziosen erinnerten seine Finger an ein Bund dicker Wurzeln. »Richter Meckel zu meiner Linken ist Euch ebenfalls bekannt. Die beiden anderen Herren sind die Räte Kossack und Leberecht.«
    Lapidius nickte höflich.
    »Nun«, Stalmanns Tonfall, eben noch verbindlich, wurde unpersönlich. »Der Anlass Eures Hierseins ist ein unerfreulicher. In der Stadt herrscht Unruhe, um nicht zu sagen Aufruhr. Die Tote, die gestern auf dem Markt entdeckt wurde, j agt den Menschen Angst und Schrecken ein. Man sagt, die Hexe Freyj a sei nächtens umgegangen und hätte die Unbekannte getötet. Krabiehl, den wir bereits eingehend befragt haben, ist ebenfalls dieser Ansicht. Er sagte, die Fremde habe eine Art Mal auf der Stirn, bestehend aus den Buchstaben F und S, und es müsse schon ein großer Zufall sein, wenn das nicht Freyja Säckler bedeute.«
    Lapidius erwiderte fest: »Ich bin sicher, dass sie nichts mit der Sache zu tun hat.«
    Stalmann machte eine Faust, um sich mit seinen Ringen den Bart besser kratzen zu können. »Da die Frau unter Eurem Dach Aufnahme gefunden hat, dachte ich mir schon, dass Ihr etwas Derartiges entgegnen würdet.« Ein missbilligender Blick streifte Meckel, mit dessen Einverständnis der leidige Zustand herbeigeführt worden war. »Doch wie dem auch sei. Der Unruhe in der Stadt muss ein Ende gemacht werden. Ich denke deshalb daran, den Hexenprozess fortführen zu lassen. Das scheint mir das Richtigste zu sein.«
    Meckel, Kossack und Leberecht nickten gewichtig. Meckel allerdings wirkte etwas verbissen.
    »Ich verbürge mich für Freyja Säckler. Sie hat mit dem Mord nichts zu

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