Die Hitzkammer
Stimme lag Vertrautheit. Er hatte sich von dem Schreck erholt. Wie zufällig streifte seine Hand das ausladende Gesäß der Bergmannsfrau.
»Wo ist die unbekannte Tote vom Markt?«, wiederholte Lapidius seine Frage.
Krabiehl bemühte sich um Haltung. »Ja … nun«, kramte er seine Gedanken zusammen, »ich habe die Leiche zum Totengräber schaffen lassen. Auf den Gottesacker.«
»Gibt es etwas Neues zum Tod der Fremden?«
»Nein, nicht das Geringste.«
»Danke.« Ohne einen Gruß verließ Lapidius Krabiehls Revier und machte sich auf den Weg zum Kirchhof.
Als er wenig später dort eintraf, musste er sich erst einmal orientieren. Es dauerte eine Weile, bis er den schmalen Abschnitt für die Armengräber gefunden hatte. Ein frischer Erdhaufen und ein regelmäßig aus dem Boden auftauchendes Schaufelblatt verrieten ihm, wo der Totengräber arbeitete. Er trat an die Grube. »Guten Morgen, guter Mann. Wie ist dein Name?«
Die Schaufel verharrte mitten in der Bewegung. Der Totengräber, ein hutzeliges Männchen mit dem Kopf einer Schildkröte, blickte auf. »Krott, Herr.«
»Gut, Krott, ich wüsste gern, wo die Tote vom Markt liegt.«
»Die Tote vom Markt? Die is inner Kapelle.« Lapidius’ Augen folgten Krotts klauenartiger Hand, die auf ein steinernes Gotteshäuschen am Rande einer Fichtenreihe wies. »Danke. Ich möchte die Leiche untersuchen.«
»Oh, Herr, dassis schlecht.«
»Wieso?« Lapidius, schon halb unterwegs, hielt inne.
»Ich mein, essis nich nötich. Der Stadtmedicus hats schon gemacht.«
»So, nun ja.« Lapidius kramte nach einer Münze und reichte sie Krott in die Grube. »Ich würde die Leiche trotzdem gern noch einmal in Augenschein nehmen.«
»Ja, danke, Herr. Is gut, Herr.« Gewohnheitsmäßig biss der Totengräber auf die Münze, bevor er sie einsteckte. Lapidius sah, dass er nur noch wenige, stark angefaulte Zähne besaß.
»Es muss ja nicht unbedingt jeder wissen, was ich vorhabe, nicht wahr, Krott?«
»Is klar, Herr.« Der Totengräber grinste verständnisinnig.
Rasch ging Lapidius die wenigen Schritte zur Kapelle hinüber. Beim Eintreten schlug ihm kühle, feuchte Luft entgegen. Es roch nach Weihrauch, Nässe und muffigem Stoff. Die Tote lag auf einem steinernen Sockel, abgedeckt mit einem schlichten Tuch. Im Hintergrund befand sich ein kleiner Altar, darauf standen ein Weihwasserkessel aus Messing und zwei Kerzen. Links und rechts von Lapidius waren morsche Kirchenbänke aufgestellt. Eine mitleidige Hand, vielleicht Krotts, hatte ein paar späte Schneeglöckchen auf den Leichnam gelegt.
Lapidius empfand eine gewisse Scheu vor dem, was er zu tun beabsichtigte, aber es musste sein. Er tat die Blumen beiseite, schlug das Tuch vom Gesicht und – erstarrte.
Er blickte unmittelbar in eine blutverschmierte Speiseröhre, eine Luftröhre und mehrere Adern – Öffnungen, die wie abgeschnittene Schläuche aus einem Halsstumpf ragten. Der dazugehörige Kopf war fast gänzlich abgetrennt und stand in unnatürlichem Winkel von der Schulter ab, fast so, als hätte ein Anatom hier seine Studien machen wollen. Aber Lapidius war kein Anatom. Würgender Brechreiz packte ihn. Er musste mehrmals schlucken, bis der Anfall vorbei war und er den Kopf wieder in die richtige Position rücken konnte. Der Schnitt in den Hals, das schien klar, war die Todesursache gewesen. Die Unbekannte hatte viel Blut verloren. Wangen, Kinn und Schulterbereich wiesen rot verkrustete Schmierstellen auf, ein Anblick, gegen den die Buchstaben in der Stirn geradezu friedvoll wirkten.
Lapidius wischte sich die Hände am Abdecktuch sauber und entfernte es vollends mit entschlossenem Ruck. Dann begann er die Kleider der Toten zu durchsuchen. Alsbald fand er ein paar Kreuzer, was dafür sprach, dass es sich bei der Tat nicht um einen Raubmord handelte.
Dem Unhold, der hier zugeschlagen hatte, war es nicht um Geld gegangen.
Lapidius forschte weiter. Es kostete ihn Überwindung, den Rock der Toten hochzuschieben und den Schambereich zu untersuchen. Aber er zwang sich dazu. Das Ergebnis entsprach seinen Befürchtungen: Die Frau war vergewaltigt worden. Spuren von getrocknetem Sperma ließen keinen Zweifel zu. Erschüttert machte Lapidius sich daran, Beine, Rumpf und Arme zu untersuchen, konnte j edoch nichts Auffälliges entdecken. Nur hier und da eine kleine Hautabschürfung oder einen blauen Fleck, Verletzungen, die alltäglich waren und die man sich überall zuziehen konnte.
Die Hände der Frau waren Arbeitshände mit den
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