Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
jemand, der in die Dienste der ostindischen Gesellschaft trete, Aussicht hätte, in nicht allzu langer Zeit Offizier zu werden.
»Wenn Ihr, mein teurer Freund,« antwortete Hillary, »die Absicht hegt, Hammelfleisch mit Brühe gegen die würzigen Suppen und Pasteten zu vertauschen, so kann ich nur sagen, Ihr werdet freilich zuerst als bloßer Kadett eintreten müssen, aber Ihr sollt schon auf der Überfahrt – bei allen Teufeln – wie mein eigner Bruder gehalten werden. Wenn wir aber erst in Madras angelangt sind, so werde ich Euch schon auf den rechten Weg bringen, um zu Ruhm und Reichtum zu gelangen. Ihr habt, glaube ich, eine Kleinigkeit an Geld – so etwa 1000 Pfd., was?«
»So annähernd, ja,« antwortete Richard.
»Das reicht gerade aus für Ausrüstung und Überfahrt,« sagte sein Freund. »Und wenn Ihr auch keinen Heller hättet, das wäre einerlei. Wenn ich nämlich einmal zu einem Freunde sage, ich will ihm beistehen, so bin ich nicht derjenige, der wieder zurücktritt aus Furcht, es wäre kein Geld da. Es ist aber gut, daß Ihr etwas Kapital habt, denn das ist doch wenigstens eine Grundlage.«
»Gewiß,« antwortete Richard, »Ich mag auch niemand zur Last fallen. Daß ich Euch die Wahrheit sage, ich beabsichtige mich vor meiner Abreise zu verheiraten. Dazu ist Geld nötig, wie Ihr Euch wohl denken könnt, ob nun meine Frau mitkommt oder ob sie hierbleibt, bis sie hört, ob ich mein Glück gemacht habe. Dann würde ich sogar mir von Euch eben noch ein paar Pfund borgen müssen.«
»Was den Teufel schwatzt Ihr da von Heiraten, Richard?« rief der Kapitän. »Ein schmucker, einundzwanzigjähriger Bursch wie Ihr, der sechs Fuß hoch aus seinen Schuhen herausragt, will sich's einfallen lassen, sich auf Lebenszeit zum Sklaven zu machen?«
»Besinnt Ihr Euch auf Marie, die Tochter meines Lehrherrn?« fragte Middlemas.
»Ach, die!« entgegnete Hillary. »Ist sie denn zu etwas zu gebrauchen?«
»Sie ist ein verständiges Mädchen. Sie ist das sanfteste, schlichteste und gefügigste Wesen auf Erden,« sagte der Verehrer.
»Na, dann taugt sie nichts,« sagte sein Berater. »Tut mir leid, Richard, aber dann ist sie nicht zu gebrauchen. Ich sage Euch, wir haben Weiber in Indien, die in dem Spektakeldasein dort eine Rolle spielen – ein paar habe ich selber gekannt, die haben ihre Männer vorwärts bugsiert, sonst wären sie bis zum jüngsten Tage im Dreck stecken geblieben. Laßt Euch sagen, es geht nur eins, entweder heiraten oder auf Indien verzichten, aber beides gibt's nicht! Wenn Ihr Euch freiwillig einen Klotz um den Hals hängt, so müßt Ihr es eben aufgeben, ein Wettrennen mitzumachen. Übrigens braucht Ihr nicht etwa zu denken, daß es gleich ein Ende mit Schrecken gibt, wenn Ihr mit dem Mädel brecht. Der Abschied wird freilich ein unangenehmer Auftritt werden, aber unter den indischen Weibern werdet Ihr sie bald vergessen. Für den Markt in Indien ist sie keine Ware, das kann ich Euch versichern.«
Der Einfluß, den der prahlerische und großmäulige Soldat auf Middlemas erlangt hatte, war bei aller Eigensinnigkeit des letztern von despotischer Art. Der Kapitän war dem jungen Manne an Bildung und Kenntnissen und Begabung durchaus unterlegen, aber jener hatte eine große Gewandtheit, ihm verlockende Aussichten vorzuspiegeln – Aussichten von jener Art, wie sie von Kindheit auf Richards Phantasie beherrscht hatten.
Als Bedingung des Dienstes, den er ihm zu erweisen sich bereit erklärte, nahm er ihm das Versprechen ab, unbedingt darüber Schweigen zu bewahren, daß er mit ihm nach Indien ginge und welche Pläne ihn dabei geleitet hätten.
Das versprach denn Richard auch. Die beiden Freunde trafen sogar die Verabredung, sich nicht mehr zusammen in Middlemas sehen zu lassen und auch nicht zusammen Middlemas zu verlassen. Der Kapitän wollte zuerst abreisen und Richard sollte ihn in Edinburgh treffen. Dort sollte er förmlich für den Dienst angeworben und alles geregelt werden, was zur Überfahrt nach Indien erforderlich wäre.
Achtes Kapitel.
Obgleich sich Richard in also bestimmter Weise zur Abreise verabredet hatte, dachte er doch von Zeit zu Zeit mit Kummer und Beklemmung an den Abschied von Marie Gray und an den Plan, den sie beide sich gemacht hatten. Aber sein Entschluß war gefaßt, er konnte ihr den Schmerz nicht mehr ersparen. Der undankbare Verehrer, der längst schon den Gedanken an ein häuslich glückliches Leben von sich gewiesen hatte, das er hätte genießen können, wenn
Weitere Kostenlose Bücher