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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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gleichen Moment sagte Ash zu Baluch: »Das hier ist nicht Hawksted.«
    Beide Männer zuckten zusammen. Baluch senkte sein Schwert. Acton hielt einen Moment inne, lange genug, dass Bramble überlegen konnte, was sie tun würde, tun konnte, falls er sich dazu entschied, zuzuschlagen. War sie bereit zu sterben, um den Sergeant zu retten? Sich in Actons Klinge zu werfen? Sie glaubte es nicht, wünschte aber, sie wäre es. Zum ersten Mal wünschte sie sich, Männer des Kriegsherrn nicht so sehr zu hassen. Denn dann könnte sie Acton von einem weiteren Mord abhalten.
    Der Sergeant war mutig, das musste sie ihm zugestehen. Er starrte vor sich hin, ohne mit der Wimper zu zucken, und seine Blase entleerte sich nicht vor Angst.

    »Er war dabei, seine Pflicht für seinen Herrn zu erfüllen«, sagte sie leise. »Hättest du es geglaubt, wenn du er wärst? Ein Geist von vor tausend Jahren, zurückgekommen, um alle zu retten?« Sie lächelte ihn schief an.
    Actons Sinn für Humor meldete sich zurück, so wie sie es gehofft hatte, und seine Hand am Heft des Schwertes lockerte sich. Er trat einen Schritt zurück und ließ den Sergeant los. »Ja, es ist schwer zu glauben, das ist wohl wahr«, sagte er. Er warf einen raschen Blick auf Baluch, der daraufhin gehorsam zu ihm kam und sich neben ihn stellte. »Sag diesem Mann, dass ich der bin, für den ich mich ausgebe, und dass er mir vor jedem anderen Herrn Lehenstreue schuldet, weil ich der Herr des Krieges bin.«
    Noch während Baluch sprach, sah Bramble, wie es geschah. Der Sergeant, der so feindselig, so ungläubig gewesen war, glaubte es plötzlich. Weil Acton ihm das Leben geschenkt hatte? Oder weil er nun mehr Zeit gehabt hatte, um den Geist zu beobachten, und er nun erkannte, dass er wirklich aussah und sich verhielt wie der Herr des Krieges?
    Männer folgten ihm schlichtweg. Wenn sie es taten, fühlten sie sich größer. Selbst der arme Medric. Sie kniete sich neben seine Leiche und wünschte, sie hätte ihn besser gekannt, wünschte, sie hätte ihn gefragt, wie er und Fursey sich kennen gelernt hatten, hätte ihn über seine Familie, seine Arbeit befragt. Die Gelegenheit dafür hatte sie gehabt, auf dem Weg aus dem Berg und dem Ritt vom Berg, aber sie war zu sehr auf Acton konzentriert gewesen.
    Wenn die Leute ihm folgten, sahen sie nichts anderes mehr.
    Aber sie nicht, schwor sie Medric. Sie nicht mehr.

    Im späten Nachmittagslicht war Thornhill, die Festung oberhalb von Wooding, sogar von der anderen Seite des Flusses
aus zu sehen. Sie befand sich auf der einzigen Erhebung, und ihre Palisaden spiegelten das späte Sonnenlicht in einem grauen Schimmer wider. Weit darunter konnten sie gerade noch die Dächer der Stadt ausmachen, das Fischgrätenmuster des auf jedem Strohdach liegenden Schilfs. Es war das unverkennbare Muster von Udall, dem Strohdachdecker. Die einzige andere Strohdachdeckerin, die es benutzte, war das Mädchen, das einst sein Lehrling gewesen war, Merris, die den Fleischer drüben in Connay geheiratet hatte.
    Brambles ganzes Leben lief in Windeseile vor ihrem inneren Auge ab: die Witwe Forli, die Brauerin Sigi und ihre Kinder, der alte Swith mit seinen arthritischen Händen. Ihre Eltern und ihr Großvater. Maryrose.
    Sie befanden sich ein paar Wegmeilen oberhalb der schmalen Brücke, die den tiefen Abgrund überspannte, über den sie mit dem Rotschimmel einst gesprungen war, um Beck und den anderen Gefolgsleuten des Kriegsherrn zu entkommen. Hier war sie gestorben. Genau hier. Sie stieg ab und sah auf das brausende Wasser des Fallen River. Seine Gischt stieg in wirbelnden Dunstwolken hinauf. Mauerschwalben segelten auf den Luftströmungen, fortwährend in Bewegung.
    In Gedanken an den erstaunlichen Satz, den der Rotschimmel gemacht hatte, wurde ihr Herz von Stolz, Liebe und Kummer überflutet. Kein anderes Pferd hätte das geschafft. Sie riss ihren Blick von dem Abgrund los und richtete ihn auf das Dorf, in dem sie aufgewachsen war. Schemenhaft konnte sie das Dach ihres Elternhauses erkennen.
    In alten Liedern und Erzählungen fühlte sich jemand, der heimkehrte, entweder richtig zuhause und wurde von diesem Gefühl übermannt, oder er fühlte sich wie ein völlig Fremder. Für sie war es weder das eine noch das andere. Vielleicht lag es daran, dass sie sich hier überhaupt nie richtig zuhause gefühlt hatte.

    Ash und Acton stritten miteinander. Wieder einmal.
    »Wer hat dort die Befehlsgewalt?«, fragte Acton und deutete auf die Stadt. »Wenn wir zu ihm

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