Die Hoehle der Traenen
gehen, kann er uns dabei helfen, Informationen zu bekommen, bessere Pferde …«
»Zum Kriegsherrn gehen?«, riefen Ash und Bramble gleichzeitig aus.
Die Heftigkeit ihrer Reaktion ließ Acton mit den Augen blinzeln. »Sogar Asgarn hätte diese Situation begriffen«, sagte er. Aber Bramble schüttelte energisch den Kopf.
Baluch hob in einer versöhnenden Geste die Hand.
»Ich glaube, du verstehst das mit Kriegsherren und Wanderern noch nicht«, sagte er. »Glaub mir einfach, Acton, kein Kriegsherr wird zwei Dunkelhaarigen glauben, die mit jemandem auftauchen, der nach ihren Worten dein Geist ist.«
Acton machte Anstalten, Widerworte zu geben, doch nun verlor Ash die Geduld. »Schweig«, sagte er, und Acton konnte nicht mehr sprechen.
Bramble hatte genug von diesen Scharmützeln. »Ich gehe nach Hause«, sagte sie und machte sich auf den Weg. Dann fiel ihr noch etwas ein, und sie drehte sich um und sagte: »Ihr werdet die Pferde führen müssen, sonst überqueren sie die Brücke nicht, sondern geraten in Panik.«
Die Männer starrten ihr hinterher. Acton setzte wieder diese Miene auf, eine Mischung aus Bewunderung und Lachen, und sie musste daran denken, wie Medric gesagt hatte: »Das einzig Warme.« Sie war sich ziemlich sicher, dass er damit von Fursey gesprochen hatte. Kurz vor ihrem Tod dachten Männer sehr wohl an den Menschen, den sie am meisten geliebt hatten. Das wusste sie, denn sie hatte genug Männer in der Steinpresse nach ihrer Mutter rufen hören. Doch obwohl sein Blick sie erwärmte, war es die gleiche Bewunderung, die er gegenüber Wili gezeigt hatte oder dem Mädchen
auf dem Berg. Jeder Frau. Sie war bloß eine weitere in einer langen Reihe derer, die er so anschaute.
Plötzlich überkam sie das heftige Verlangen, jenen vertrauten Ausdruck von Verzweiflung und Verwirrung im Gesicht ihrer Mutter zu sehen und das sich allmählich bildende Lächeln auf dem Gesicht ihres Vater, die Umarmung durch ihren Großvater zu spüren. Sie wollte sich wieder normal fühlen, so als wäre sie nicht schon zweimal gestorben, als würde sie nicht einen Geist lieben, hätte nicht die Schlachten und Liebesaffären von vor tausend Jahren gesehen.
Sie trat von der Brücke, ihren stämmigen Rotbraunen führend, und die Männer folgten ihr. Dabei spürte sie, wie eine Vertrautheit sie überflutete, und ihre Stimmung stieg. Innerlich sandte sie einen Gruß an die einheimischen Götter, wie sie es in ihrer Kindheit jeden Tag getan hatte.
Sie gaben keine Antwort.
»Wir müssen zum Altar«, sagte sie und stieg auf.
Sie führte ihre Gruppe über den Weg durch den Wald zum Altar, entlang schmaler Pfade, die vor allem von Rotwild benutzt wurden. Der schwarze Felsaltar sah aus wie immer. Bramble glitt aus dem Sattel und führte die Pferde zu einem großen Kastanienbaum, wo sie sie anband. Dann ging sie zu dem Altar.
Zum Gruße , dachte sie in Richtung der Götter. Sie legte die Hand auf den kalten Fels und spürte, wie Erleichterung sie überkam. Sie waren da, doch ihre Aufmerksamkeit lag woanders, weit weg.
Zum Gruße , dachte sie erneut, und dieses Mal züngelte ein kleiner Funke ihrer Aufmerksamkeit in ihre Richtung.
Als sie sie erkannten, richtete sich plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit auf sie.
Kind , begrüßten sie sie . Warum bist du hier? Geh nach Turvite .
Das war alles. Sofort wandten sie ihre Aufmerksamkeit wieder von ihr ab. Sie hatte den Eindruck, dass sie zu einer Schlacht zurückgekehrt waren, einem ganz eigenen Kampf, und nun durchfuhr sie ein kleines Stück jener Kälte, jener Furcht, die sie empfunden hatte, als sie Acton erweckt hatten.
Sie ging rückwärts aus der Lichtung heraus und schloss sich den anderen wieder an. »Wir müssen nach Turvite«, sagte sie. »Sofort.«
Ash nickte nur, und Bramble dachte, er habe sie vielleicht auch gehört. Acton dagegen presste die Lippen zusammen und zog ein finsteres Gesicht. Bramble wandte sich Ash zu.
»Lass ihn reden«, sagte sie.
»Dann rede«, sagte Ash.
»Warum Turvite?«, fragte Acton sofort.
»Weil die Götter es so wollen«, sagte Bramble.
Er dachte darüber nach, schüttelte dann aber den Kopf. »Aber …«
»Es sind die Götter , du Idiot«, sagte sie wütend. Sie konnte sich über niemanden mehr ärgern als über Acton. Über gar niemanden.
»Es sind nicht meine Götter«, sagte er bloß. In seiner rauen, krächzenden Stimme klang die Aussage doppelt frevelhaft. »Wer weiß, wie viel sie wissen? Sie könnten sich irren.«
Sie erkannte,
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