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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gingen nach der Witterung und konnten sich zwischen Bäumen am leichtesten anschleichen. Die Knaben beschlossen daher, ihren alten Lagerplatz vom vergangenen Mittag am Bachufer für die Nacht wieder zu beziehen. Er bot Fluchtwege mehrerer Art; man konnte auf die Bäume am Waldrand klettern oder im Wasser tauchen, am Ufer mit den Pferden verhältnismäßig schnell weiterkommen, und nach einigen Seiten bot sich ein gewisser Ausblick. Die Jungen holten die Mustangs wieder dorthin.
    Da Stark wie ein Hirsch einen langen und anstrengenden Weg gemacht hatte, übernahm Harka die erste Wache und ließ seinen Gefährten schlafen. Er benutzte die Axt seines Freundes, um sich eine junge Tanne zu schlagen, die er von den Ästen reinigte. So gewann er eine lange Stange. Das war ein gutes Abwehrinstrument gegen Raubtiere. Vor langen Stangen und Speeren hatten wild lebende Raubtiere Angst, weil sie sie für gefährliche Hörner hielten. Harka blieb bei den Pferden stehen und hatte alle seine Waffen zur Hand. Der Himmel war schon mit Sternen übersät, und etwas Mondlicht fiel auf den Bach und das gegenüberliegende Ufer. Die kleinen Wasserfälle rauschten gleichmäßig. Die höchsten Wipfel bewegten sich leise im Wind.
    Das naß gewordene Zeug der Jungen hing an Zweigen zum Trocknen. Harka suchte Holz zusammen, das hier leicht zu finden war, und machte Feuer, um die Raubtiere abzuschrecken. Stark wie ein Hirsch hatte sich in seine beschädigte Decke eingewickelt und schlief fest. Harka hing die seine um und ging beim Waldrand hin und her. Er horchte, und sein Blick schweifte aufmerksam ringsum; die größte Aufmerksamkeit widmete er dem Wald, dessen Dickicht am schwersten zu durchschauen war.
    Es ging schon der Mitte der Nacht zu, als die Pferde Witterung nahmen und unruhig wurden. Harka weckte seinen schlafenden Gefährten, der auch gleich hell wach war. Die Pferde wollten bergabwärts ausreißen, und es war die Frage, ob sich die Jungen dem Instinkt der Tiere einfach anvertrauen und vor der noch unbekannten Gefahr fliehen sollten oder ob sie auf der Flucht vielleicht noch leichter angreifbar waren, als wenn sie am Platze blieben und ihre ganze Aufmerksamkeit ihrer Umgebung und ihren Waffen widmen konnten. Sie entschlossen sich zu bleiben. Ihre Decken schnallten sie den Pferden um und machten diese los. Da wurden die Tiere etwas ruhiger. Sie gingen ins Wasser und drängten sich an einer seichten Stelle der Terrasse zusammen. Harka blieb bei ihnen. Stark wie ein Hirsch versteckte sich im Gebüsch am Ufer.
    Die Knaben hatten alle Sinne angespannt.
    Vom tiefer gelegenen Hang her war in der nächtlichen Stille und zwischen dem gleichmäßigen Rauschen des Wassers etwas zu hören gewesen. Dürre Zweige hatten leise geknackt, als ob sie von einem schweren Gewicht zerbrochen würden. Aber dann war es wieder ruhig.
    Der Wind hatte sich gelegt. Regungslos standen die hohen Tannen, ihre Wipfel zeichneten sich als Silhouetten gegen den Sternenhimmel ab. Das Gesträuch darunter verschwamm im Dunkeln. Der Bach rauschte und fing, matt leuchtend, Sternenlicht. Plötzlich stieg der Grauschimmel, und der Schecke schlug hoch aus. Harka erkannte im Gezweig eines Baumes am jenseitigen Ufer das grünliche Schillern von Augen. Ein starker Ast geriet ins Schwanken. Ein großes katzenartiges Tier schnellte sich mit einem weitgreifenden Satz, den Körper geschmeidig streckend, die Krallen der Vorderpranken geöffnet, von der Höhe des Astes herunter und herab auf den Grauschimmel. Der Mustang, der die Gefahr auch erkannt hatte, wollte ausbrechen, und das angreifende Raubtier landete nicht so, wie es beabsichtigt hatte, am Halse des Mustangs, um sich gleich in Genick oder Gurgel einzubeißen. Es krallte sich mit den Vorderpranken, seitlich an dem Pferde hängend, in die Büffelhautdecke ein. Der Kopf mit den gefletschten Zähnen und den glühenden Augen schaute über den Rücken des Mustangs. Der Luchs hatte Harka ins Auge gefaßt, der laut und kampfentschlossen aufschrie. Das mordbegierige Raubtier gab ein kreischendes, fauchendes Brüllen von sich. Harka hatte schon die elastische Keule gehoben, die aus Weidenzweigen bestand und an deren Ende ein eigroßer Stein befestigt war. Er hob sie mit beiden Händen, um die Kraft zu verdoppeln, und schlug in großem Bogen im Bruchteil einer Sekunde zu, ehe der Mustang mit seinem Todfeind am Rücken ausbrechen konnte.
    Der Stein traf den angreifenden Luchs genau zwischen den Augen, so hart, daß die Raubkatze

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